Sitzung des Holländisch-skandinavischen Komitees mit der Delegation der Tschechoslowakischen sozialdemokratischen Arbeiterpartei, 26. Juni 1917

P/45
VÚA-VHA, CSNR Paríz III/1 , kart. 13, inv. c.2.117. Mschr., 4 S.

Auszug aus Brief Prokop Maxa an Thomas Masaryk, o.D. [nach 26. Juni
1917]1

[...]

   Dans la première séance du comité
hollando-svédois, à la quelle ont pris part trois de[s]
nôtres, à savoir: Habermann, Nemec et Smeral,2 et pour
le comité: Huysmann [Huysmans], Branting et un Hollandais, Smeral a
charactérisé la situation en Bohême comme extrêmement
tendue,3 il a dépeint la foi presque mystique de la nation en
l'indépendance nationale, il a déclaré que 99% de la
population marche avec Masaryk4 et croit que l'Entente nous aidera,
ensuite, que la tension est tellement grande qu'elle ne se laissera pas
longtemps maîtrisée et qu'il faut craindre qu'une explosion ne se
produise pas qui amenerait un terrible massacre. Il a dépeint les deux
directions politiques: la sienne, qui compte avec l'existence de l'Autriche et
veut par un compromis en recevoir la plus grande indépendance possible
dans le cadre de l'Autriche-Hongrie,5 et la seconde qui s'en remet
à la réalisation des projets de l'Entente.6 Il a
avoué qu'il est dans son parti et dans sa nation en minorité et
souvent très haït et persécuté. Il [a] demandé
le comité de l'informer jusque quel degrés la nation peut se fier
à l'Entente. Huysmann [Huysmans] et Branting (celui-ci fort
ententophile) ont conseillé, de ne point se fier à l'Entente, car
elle n'aura ni temps, ni force d'aller juqu'au fond du problème
autrichien et se contentera d'un compromis. C'est pourquoi ils recommandent que
le parti social-démocrate fasse autant et n'apporte pas des sacrifices
inutiles. (Smer.[al], Haber.[mann] et Nem.[ec] ont déclaré, que
chez nous on est décidé à aller jusqu'au
bout).7

   Par moi Smer.[al] et les autres ont été
confidentiellement informés qu'à Petrograd TEGE8 a
traité avec A. Thomas et que celui-ci est très bien
disposé a notre égard. Smer.[al] a entendu ça, il demanda
Huysmann [Huysmans] de télégraphier à Thomas pour savoir
jusu'où les socialistes tchèques puissant compter sur la France.
Tout cela, j'ai appris très confodentiellement et naturellement pas de
Smer.[al] et c'est pourquoi je vous ai télégraphié.
Peut-être inutilement, parceque Hu[ysmans] a promis, mais n'a pas
télégraphié, sentant bien que ce n'est pas compatible avec
sa fonction.

[...]9

   De notre action Smer.[al] a déclaré qu'il lui est
très reconnaissant car il sait combien la situation10 serait
sans elle plus difficile et il demande, comme tous les autres, que notre action
continue. Seulement il ne veut pas qu'on apporte trop des sacrifices (les
soldats) et que nous demandions la politique radicale, si la situation exige un
compromis.11 Du reste il restera avec nous, via Stockholm, en
relations et de temps en temps se mettra d'accord avec nous sur l'attitude
à prendre.

[...]12

Anmerkungen

1   Mit ganz geringfügigen Abweichungen ebenso in Schreiben
von Maxa an Benes, o.D., ebd. Kopien beider Briefe wurden freundlicherweise von
Prof. Jan Galandauer, Prag, zur Verfügung gestellt. Siehe auch
Pressekommuniqué in Dok. Nr. P/45a. Zu den Sitzungen und zu "Stockholm"
in der Tschechoslowakei, auch den unterschiedlichen Auffassungen in der
Delegation, Benes 1928, S. 298-301; Valiani 1966, S. 294, 335, Anm. 159;
Galandauer 1988, S. 93-101; Kárník 1996, S. 134-149. - Habermann
hatte Smerals Erklärung "fast wörtlich" Maxa mitgeteilt. Professor
Maxa war Abgesandter von Thomas Masaryk, der in London im Exil lebte, und
Mitglied des tschechoslowakischen Nationalkomitees und Organisator der
tschechischen Legion in Rußland war. Masaryk hatte ihn nach Stockholm
geschickt, um dort "seine Auslandsaktion zu propagieren" und mit der
tschechoslowakischen Delegation Kontakt aufzunehmen, sich von ihr informieren
zu lassen und sie zu beeinflussen. Maxa führte lange Beratungen mit der
Delegation und berichtete eingehend über Masaryks politische und
militärische Aktion. Dies habe nach Maxa "auf alle großen Eindruck"
gemacht. Im Gegensatz zu Smeral und Nemec stimmte Habermann vollkommen zu.
Masaryk und Smeral waren zwar politische Gegner, ihre Kriegspolitik unterschied
sich, aber die Gegensätze waren ideologisch "nicht unversöhnlich
antagonistisch" (Galandauer). Masaryk ging von der Zerschlagung von
Österreich-Ungarn aus, Smeral eher von einer "Kompromißlösung".
Dies nach Benes 1928 und Galandauer 1988, beide nach Maxas Berichten. Siehe
auch unten in Anm. 5 -7 und 9.

2   Die Genehmigung der Pässe für die drei Delegierten
wurde von österreichischer Seite mehrfach hinausgezögert, anders als
für die Vertreter der SDAPÖ und der tschechischen Zentralisten.
Smeral intervenierte mehrmals. Habermann und Nemec reisten am 16.6.1917 aus
Prag ab und trafen am 18.6. in Stockholm ein. Smerals Abreise am 18.6. und
Ankunft am 23.6., nicht erst am 2.7., so Galandauer 1988, S. 95, wo Smerals
Reise kurz geschildert wird. Smeral reiste über Berlin, wo er die
Redaktion des Vorwärts besuchte und mit Vertretern der MSPD und USPD
zusammenkam. Von Berlin aus fuhr er am 20.6. im gleichen Zug wie Karl Kautsky,
Eduard Bernstein und Hugo Haase nach Swinemünde und von dort weiter mit
dem Schiff nach Malmö. In schwed. Social-Demokraten 22.6.1917, S. 1, Bild
der tschechoslowakischen Delegation zusammen mit der amerikanischen Delegation
und dem Holländisch-skandinavischen Komitee. Die Delegation reiste am
1.7.aus Stockholm ab. - Nach Galandauer, 1988, S. 95, sind Smerals
"Reisenotizen und Aufzeichnungen" über seinen Besuch in Stockholm
"lakonisch", aus verständlichen Gründen, weil er mit strengen
Kontrollen zu rechnen hatte. Galandauer hat auch eine Biografie Smerals
geschrieben (1986), auf die er sich in seinem Aufsatz bezieht. - In einem
Bericht des deutschen Konsulats in Prag an Bethmann Hollweg, 10.6.1917, in PA
AA, WK Nr. 2 c, Bd. 2, S. 51f., wird angekündigt, auch die tschechische
nationalsozialistische Partei beabsichtige, zwei Vertreter nach Stockholm zu
entsenden, Georg Stribrny und Emil Simek. Es sind aber keine Kontakte mit dem
Holländisch-skandinavischen Komitee nachzuweisen.

3   Nach der Wiedergabe von Smerals Beitrag in den Erinnerungen
von Habermann, zitiert bei Galandauer 1988, S. 98f., sprach Smeral von einem
"psychologischen Zustand", "der völlig unnormal sei".

4   Nach den Erinnerungen von Habermann, zitiert bei Galandauer
1988, S. 98f.: "95% des tschechischen Volkes denkt hochverräterisch. Es
wünscht den Untergang Österreichs und der Habsburger".

5   In Maxas Schreiben an Benes, o.D., genannt oben in Anm. 1, das
inhaltlich im wesentlichen dem an Masaryk entspricht, ist hier eine Anmerkung
hinzugefügt: "Smeral est un socialiste orthodoxe, zimmervaldiens, mais qui
prêche l'opportunisme à l'égard du gouvernement de Vienne".
In einem Artikel von Benes "Le socialisme autrichien, le congrès de
Stockholm et la question de'Autriche-Hongrie" in La Nation Tchèque Nr.
6, 15.5.1917 (Teil 2), S. 188-190 und 194, in dem die zwei Strömungen in
der tschechoslowakischen Sozialdemokratie und in der Delegation charakterisiert
werden, wird Smeral zu den Opportunisten gezählt, die zwar im Grunde
für die Auflösung von Österreich-Ungarn, aber von Vorsichtigkeit
und Passivität geprägt seien. In der Charakterisierung der
tschechoslowakischen Delegierten in einem Bericht des deutschen Konsulats in
Prag an Bethmann Hollweg, 9.6.1917, in PA AA, WK Nr. 2 c, Bd. 2, S. 6f., wird
Smeral als "ein Mann von gemässigten Anschauungen, der sich stets für
massvolles Auftreten der Partei einsetzt", bezeichnet. Nach den Erinnerungen
von Habermann, zitiert bei Galandauer 1988, S. 98f., zählte sich Smeral zu
den 5%, die für einen "Frieden um jeden Preis" einträten, mit einem
unentschiedenen Kriegsende und der Erhaltung von Österreich-Ungarn
rechneten. Er bezeichnete diese Politik als "im tschechoslowakischen Volk
vielleicht nicht populär, aber nützlich und verdienstvoll". - Siehe
zur Lage in der tschechischen Arbeiterbewegung, hauptsächlich vor 1914,
Solle 1966/1967, S. 315-390, dort zu Smeral S. 347f., und Solle 1969, S.
181-266

6   Nach den Erinnerungen von Habermann, zitiert bei Galandauer
1988, S. 98f., zählte Smeral Habermann zu dieser Richtung, die "auf den
Trümmern der habsburgischen Herrschaft [...] die Errichtung eines
selbständigen Staats" erhoffe. Habermann stellte sich nach Benes 1928, S.
301, "offen auf den Standpunkt der tschechoslowakischen Revolution, forderte
die Errichtung unseres unabhängigen Staates und sagte unter anderm,
daß die Habsburger immer wortbrüchig gewesen wären und
daß sie es auch jetzt seien, da sie von Föderalisation
sprächen". Es sei "im Interesse" der Nationalitäten, "die Habsburger
nicht länger an der Macht zu lassen und neue Staaten auf dem Gebiete des
alten Kaiserreiches zu errichten". Diese "Gesinnung" habe Nemec bestätigt.
Habermann trat nach Benes in Stockholm "konsequent, radikal und furchtlos" auf.
In dem oben in Anm. 5 genannten Bericht aus Prag wird Habermann als "Sprecher
der Separatisten vom Lande" bezeichnet. In dem oben in Anm. 5 nachgewiesenen
Artikel von Benes wird er zu den Führenden der anti-österreichischen
Strömung innerhalb der Sozialdemokratie und den Radikalen gezählt.
Nach Benes 1928, S. 301, habe er "den Hauptanteil an unserem Erfolg in
Stockholm" gehabt. Er wollte sogar im Ausland bleiben und "mit uns zusammen zu
arbeiten", kehrte aber auf Wunsch Masaryks nach Prag zurück.

7   Smerals Erklärung teilte Habermann "fast wörtlich"
Maxa mit, so Benes 1928, S. 300. - Vgl. Bericht über vertrauliche
Mitteilungen eines Korrespondenten von Messagero, Dr. Alessandro Dudan,
über zwei Unterredungen mit den drei tschechischen Delegierten, in
Tommasini an Sonnino, 30.6.1917, DDI, Serie 5, Band VIII, Nr. 497 und 500. Die
Tschechen versicherten, daß sie - wie ihr Volk - die volle
Unabhängigkeit wollten (Tschechei und Slowakei) und somit die
Auflösung von Österreich-Ungarn. In ihrem Memorandum hätten sie
sich nur deshalb nicht in diesem Sinn geäußert, weil sie sonst nicht
in ihr Land zurückkehren könnten. Die militärische
Kapazität der Mittelmächte sei noch groß, der innere Zustand
Österreich-Ungarns dagegen schlecht. An eine Revolution sei wegen des
Polizeiapparats nicht zu denken. Nur der Sieg der Entente könne die
Auflösung des Staates bewirken. Die am meisten verfolgte Nationalität
seien die Italiener. Pittoni (Abgeordneter für Triest) sei ein
überzeugter Österreicher. In Österreich-Ungarn hielten alle den
Krieg für verloren. Die Tschechen betrachteten das Nationalkomitee
Masaryks als "Interpreten der nationalen Bestrebungen". In Petersburg habe
Albert Thomas eine geheime Abmachung mit den Tschechen über die
Auflösung Österreich-Ungarns paraphiert. Letzteres ("schriftliche
Abmachungen") auch in dem zweiten Gespräch am 29.6., zunächst mit
Habermann, dann mit diesem, Smeral und Nemec. Dort wird im übrigen der
Kontakt mit Prokop Maxa, dem Abgesandten Masaryks, genannt und weiter,
daß Masaryk selbst nach Stockholm komme, um eine Kampagne für die
Auflösung Österreich-Ungarns einzuleiten und besonders auf Branting
einzuwirken. Nach Benes 1928, S. 299, baten mehre französische Politiker
Benes, nach Stockholm zu reisen, um dort für die Sache der Alliierten zu
wirken, vor allem die Russen zu beeinflussen. Trotz "Lust" dazu, habe er den
Plan aufgegeben, weil er "in der damaligen kritischen Zeit unsere Pariser
Zentrale nicht verlassen konnte".

8   Masaryk, so im oben in Anm. 5 nachgewiesenen Schreiben von
Maxa an Benes.

9   Hier wird vor allem auf die Spannungen innerhalb der
tschechischen Delegation hingewiesen und Smeral charakterisiert, und zwar nach
den Informationen von Nemec und Habermann. Smeral sei "trè ambitieux",
"un cachottier", "un intrigant", "il ne recule devant aucun moyen pour arriver
à sas fins".

10   "En Bohême", so im oben in Anm. 5 nachgewiesenen
Schreiben von Maxa an Benes.

11   Danach im oben in Anm. 5 nachgewiesenen Schreiben von Maxa an
Benes: "En cela les paroles de Branting et de Huysmans l'avaient
confirmé dans sa tactique".

12   Es werden u.a. die politischen Spannungen in der Tschechei
angedeutet. Masaryk habe über Maxa wissen lassen, daß man Ruhe
bewahren und die Opposition gegen die Regierung fortsetzen solle. Das habe
Smeral versprochen. Abschließend wird auf die Stellungnahme der USPD
verwiesen: "Les minoritaires allemands sympatisent assez avec nous car elle
comprend que l'Autriche doit être un instrument de l'imperialisme
allemand et c'est pourquoi elle souhaite à tous les peuples l'Autriche
la plus grande liberté. Mais Kautsky ne croit pas que l'Autriche sera
démenbrée déjà cette fois-ci, mais il est
persuadé que cela arrivera quand même un jour". Unter Bezug auf
Maxas Bericht in Benes 1928, S. 296, Anm. Kautsky habe "unserem Programm der
Aufteilung Österreich-Ungarns" zugestimmt, "da er annahm, daß es
dazu kommen müsse, wenn nicht in diesem Krieg, so doch in nächster
Zeit". Die Erhaltung Österreich-Ungarns sei eine "Machtforderung"
Deutschlands. Kautsky sei nicht sicher gewesen, ob ein tschechoslowakischer
Staat "in diesem Krieg sich verwirklichen lasse, obzwar er dieser Lösung
zustimmte". Die "Agitation" von Renner für ein Groß-Österreich
halte er für einen "Ausfluß der national-chauvinistischen Politik
des österreichischen Kleinbbürgertums". "Die tschechischen
Abgeordneten und ihre Politik verurteilte er als nicht radikal genug, da sie
auf die Dynastie große Hoffnungen setzten".