Letzter Brief von Holger Meins im Info

RAF Document ID
0019741031
Author
Holger Meins
Date
31.10.1974
Source
Originalkopie
Text

I - 31.10.

du blöder idiot.
fängst sofort wieder an und machst weiter - wenn du das nicht sowieso schon gemacht hast.
das und nichts anderes. gleich was heute fürn tag ist.

ist natürlich das schärfste ei was du da gebracht hast -
weißt du auch. dreck. und
du bist da natürlich ein ganz schönes schwein. nagut.
ausgeflippt. - ist ja nicht dein erster. ( ) fällt mir da ein.
und noch ne paar andere kisten. ist doch in jeder aktion so.
ein flipp war (bei mir) immer dabei. und der tägliche scheiß, der ärger. - warte, du arschloch.

denn das blieb sozusagen in der familie und das muß dir (eigentlich) klar gewesen sein, was das heißt für die pigs und gegen uns - (inzwischen auf jeden fall) -
mitten in der aktion. wenn du da mit vollem bewusstsein gefressen hast - als schritt raus - dann man guten
appetit. (schmeckt es?). dann ist hier ende. ---------------- .

wenns ein flipp war, ne break, mattscheibe, völlig bescheuert wie ein wahnsinnsknabe - geschenkt. erstmal. sowas kommt vor -
trotz allem was gesagt war. kennt man doch. aber dann biste inzwischen schon längst wieder dabei. oder was?
dann aber SOFORT.

ausgeflippt - eingeklinkt.
haste nen fehler gemacht - korrigiere ihn.
hats dich rausgeschleudert - kommst zurück.
hast dir in die hose gemacht? - musste sie auswaschen.

obwohl - das ist natürlich ne bißchen was anderes in der dimension - weil offen. ist dir ja auch klar (oder geworden) danach - inzwischen.
(sowieso wirst du das nochmal genau erklären müssen und zwar gleich.
mit: "einfach: nicht-denken-können usw" ist noch nichts gesagt über dich) - :
der fakt hat ne konsequenz. biste ja auch drauf. wenn die crew nicht nein entscheidet, würd ich sagen: du legst dir - militärisch gedacht - selbst ne disziplinar-verfahren auf. so was. du selbst. wir kontrollieren: es gibt keine schuldigen in der guerilla und keine strafe im kollektiv. nur entscheidungen und konsequenzen und ich sage eben: weiter.
das einzige was zählt ist der kampf - jetzt, heute, morgen, gefressen oder nicht. pe ist ja dasselbe. was interessiert, ist was du draus machst: ne sprung nach vorn. besser werden. aus den erfahrungen lernen. genau das muß man daraus machen. alles andere ist dreck. DER KAMPF GEHT WEITER. jeder neue fight, jede aktion, jedes gefecht bringt neue unbekannte erfahrungen und das ist die entwicklung des kampfes. entwickelt sich überhaupt nur so. die subjektive seite der dialektik von revolution und konterrevolution: "das entscheidende ist, daß man zu lernen versteht."
durch den kampf für den kampf. aus den siegen, aber mehr noch aus den fehlern, aus den flipps, aus den niederlagen.

"das ist ein gesetz des marxismus.
kämpfen, unterliegen, nochmals kämpfen, wieder unterliegen, erneut kämpfen und so weiter bis zum endgültigen sieg - das ist die logik des volkes." sagt der alte.

was du schreibst ist tatsächlich ziemlich ausgeflippt, weil sagt doch klar, daß sich eben nichts geändert hat, hast nur nen riesen bockmist gemacht - allerdings: "materie": der mensch ist nichts als materie
wie alles. der ganze mensch. körper und bewußtsein ist
"materielle" materie und was den mensch ausmacht, was er ist, seine freiheit - ist, daß das bewußtsein die materie beherrscht - sich SELBST und die äussere natur und vor allem: das eigene sein. die eine seite engels: glasklar. der guerilla aber materialisiert sich im kampf - in der revolutionären aktion und zwar: ohne ende - eben: kampf bis zum tod und natürlich: kollektiv.

das ist keine sache der materie, sondern eine der politik. der PRAXIS. wie du sagst. nach wie vor sache. heute morgen und so weiter. gestern ist gewesen. kriterium auch, aber vor allem SACHE. was ist- jetzt - liegt als erstes bei dir. der hs ist noch lange nicht zu ende. und der kampf hört nie auf.

naja - entweder weiter
oder du bist wirklich im arsch, kaputt. deine sache.
: es lebe die raf - du affe.

auch sonst alles ziemlich schizo waste da schreibst. "wußte ich vorher so nicht" so? sag ich wirklich nur prinz. "zwangspsychiatrisierung" du spinnst doch. "total" meine fresse. "als sei ich tot" ist ja nett.

aber
gibt da natürlich nen punkt: wenn du weißt, daß mit jedem SCHWEINESlEG die konkrete mordabsicht konkreter wird - und du machst nicht mehr weiter mit, bringst dich in sicherheit, gibst den SCHWEINEN damit einen SIEG, heißt lieferst uns aus, bist du das schwein, das spaltet und einkreist um selbst zu überleben und dann halt die fresse von "wie gesagt: die praxis. es lebe die raf. tod dem schweinesystem". dann - also wenn du nicht weiter mithungerst - sagste
besser, ehrlicher (wenn du noch weißt, was das ist: ehre): "wie gesagt: ich lebe. nieder mit der raf. sieg dem schweinesystem" -
entweder schwein oder mensch
entweder überleben um jeden preis oder kampf bis zum tod
entweder problem oder lösung
dazwischen gibt es nichts
sieg oder tod - sagen die typen überall und das ist die sprache der guerilla - auch in der winzigen dimension hier:

mit dem leben ist es nämlich wie mit dem sterben:
"menschen (also: wir), die sich weigern, den kampf zu beenden, -
sie gewinnen entweder oder sie sterben,
anstatt zu verlieren und zu sterben." - ziemlich traurig, dir so was noch mal schreiben zu müssen. weiß natürlich auch nicht wie das ist wenn man stirbt oder wenn sie einen killen. woher auch? - im augenblick der wahrheit da morgens ist mir als erstes durchn kopf geschossen: also soo ist das (wußte ich ja auch noch nicht) und dann (in den lauf kuckend, genau zwischen die augen gezielt): na egal, das wars dann. jedenfalls auf der richtigen seite. -
du müßtest da eigentlich auch was wissen. naja. es stirbt allerdings ein jeder. frage ist nur wie und wie du gelebt hast. und die sache ist ja ganz klar: kämpfend GEGEN DIE SCHWEINE als MENSCH FÜR DIE BEFREIUNG DES
MENSCHEN: revolutionär, im kampf - bei aller liebe zum leben: den tod verachtend. das ist für mich: dem volk dienen - raf.

nunjaha. wirklich. schluß.