Sitzung des Holländisch-skandinavischen Komitees mit der Delegation von Poale Zion, 26. Juli 1917

P/60a
CHA, Stockholm, N. & C., Juli 1917:3. Hschr. (Arthur Engberg), 25. S.1

                       
                       
                       
             
26 juillet 17

Les Zionistes

(Poale Zion)

Le 26 juillet 1917.

   Troelstra begrüsst d.[ie] jüd.[ischen]
Genossen.

   Chassanowitz:2 Die Judenfrage eine
internat.[ionale] Frage,3 die nur durch ein[e] Umwandelung d.[er]
jüd.[ischen] Volksseele gelöst werden kann. Die Frage muss auf d.[em]
int.[ernationalen] Friedenskongr.[eß] behandelt werden. Eine Frage nicht
nur d.[es] Rechts od.[er] Unrecht[s] sonden eine Volksfrage. Wir haben kein
Land. Die Berufsgliederung unnormal. Deshalb Widerstandsfähigkeit schwach.
Die Jud[en] können ihre Frage nur in einem System von verbrüd.[erten]
Völkern gelöst werden. Der Krieg grosse Leiden für d.[ie]
Jud.[en] gebracht. Die russ.[ische] Rev.[olution] bedeutet für uns
ungeheueren Fortschr.[itt] Denn dadurch sind d.[ie] Juden menschlich
eman[z]ipiert in Russl.[and] Aber wir wollen auch bürgerl.[iche]
Gleichberecht.[igung] So in Polen. - In Galizien ungeheuer[e] Verfolg.[ung]
geg.[en] d.[ie] Juden. Die Juden sind verurteilt als Individ.[uen] zu gelten.
In Oesterreich haben Juden Gemeinden aber sie müssen Organe besitzen. In
Galizien die Frage wie ein jüd.[ischer] Bund geschaff.[en] wer[den] kann.
Jüd.[ische] Autonomie mit Steuerrecht und Deklarationsrecht und eigene
Regelung für d.[ie] jüd.[ischen] Angelegenheiten. Dies gilt für
die Juden wo sie in Massen leben.4 Wir haben eine Massenarmut die
ohne ein Organ nicht geregelt werden kann. Wir wollen auch unsere Kultur
entwick.[eln] können. Desh.[alb] nation.[ale] Aut.[onomie] Aber auf
nat.[ional]-person.[aler] Grundl.[age] Die Frage d.[er] Regelung fordert
überall für d.[ie] Minderheiten nat.[ional]-person.[ale]
Union.5 Wir finden dass die nat.[ionale] Frage durch
territ.[oriale] Aut.[onomie] verschärft wird. Z.B. als Galizien
Amt. [Autonomie] wollte dann haben d.[ie] Ukrainer einen Notschrei [getan] denn
d.[ie] Gefahr bestand dass sie vergewalt.[igt] werden. Ebenso mit d.[er]
Unabh.[ängigkeit] von Polen. Wir sind Freunde davon. Aber wir wissen dass
d.[ie] poln.[ischen Bürger] für d.[en] Verzicht d.[er] Juden auf
eig.[enes] Recht sind. Wenn die nat.[ionale] Frage für d.[ie]
nat.[ionalen] Minderheit.[en] gelöst ist dann kommt also die Gefahr. Z.B.
in Russl.[and] Die Völker werden auton.[om] Da hatten wir früher nur
einen Feind, nun viele. Wir können verstückelt werden. In jeder
Provinz Gefahr d.[er] Vergewalt.[igung] Wir fordern desh.[alb] dass wie d.[er]
Kongr.[eß] d.[es] Soviet beschl.[ossen] hat d.[as]
Selbstbest.[immungs]recht ausgedehnt werden muss. Die Juden müssen in
ihren Rechten geschützt werden. Dies unsere Diaspora-forderungen. In
Bez.[ug] auf Palästina fordern wir folgendes:6

   Geschichte d.[er] Juden d.[ie] Gesch.[ichte] aller Völker
denn wir sind überall zerstreut. Wir vergessen nicht unsere geist.[ige]
Verbind.[ung] mit Palästina. Wir müssen selbst nach Palästina
gehn und es kolonisieren. Wir kennen d.[ie] Lage. Aber d.[er] Krieg hat
bewiesen die Notw.[endigkeit] ein eig.[enes] Land zu besitzen. England
wäre z.B. weiter gekommen wenn es ein einziges Land bildete. Bin
überzeugt dass d.[ie] extreme Industr.[ialisierung] nach d.[em] Kriege
unmögl.[ich] ist. Die Kolonisation ein grosses Bedürfn.[is] jeden
Volkes. Man hat in Russland Juden kolonisiert. Das eine Notwendigkeit. Von
d.[en] and.[eren] Völkern kann [können] wir Wohlwol[l]en verlangen.
Wir wollen keine Hemmnissee dieser Kolonisationspol.[itik] Unterschied
zw[ischen] Kolonialpol.[itik] u.[nd] Kolonisierungspol.[itik]. Wir verwerfen
die erste, wollen die letztere. Der Übergang zur Produktionsarbeit ein
Fortschritt. Keine Verwechsl.[ung] zu machen zw.[ischen] gleichlaut.[enden]
Worten.

   Es sind 30 grössere Kolonien in Palästina. Bestehen
seit 30 Jahren. Die Kolonisten bilden eine Zahl von 10,000. Da widmen sie sich
d.[er] Landwirtschaft. Ungeheure Schwierigkeiten zu überwinden. Die
türk.[ische] Reg.[ierung] [hat] allerlei Schikanen gemacht. Den Bauern 13%
ihres Butterertrags abgenommen als Steuer. Der Jude kann nicht zur Stufe eines
Tieres herabsinken. Wir verlangen Beseitig.[ung] d.[er] Beschr.[änkung]
der Kolonisation. Moderne Rechtsverhältnisse verlangen wir. Wir verlangen
dass Palästina ein einheitliches z[um] Begriff wird. Nun
Verwalt.[ungs]-Gebiete die nicht zusammenhängen. Weiter verlangen wir das
Recht auf Arbeit. Wir wollen das Recht d.[er] Tätigkeit. Im Interesse
d.[er] europ.[äischen] Völker dass Paläst.[ina] d.[er]
europ.[äischen] Kultur geöffnet wird. Die Weltprodukt.[ion] muss
geregelt werden. Dies fordert auch dass man unser[e] Interessen hier
berücksichtigt.

   Huysmans: Die erste Frage ist d.[ie] Frage d.[er]
Autonomie. Die zweite Frage eine palästinische Frage. Denken Sie dass auch
diese zweite in d.[ie] Konferenz [ge]hört?7

   Chass.[anowitz] : Ja.

   Huysmans: Hier nicht nur eine Regelung eines Faktums
sondern eine Initiative von d.[en] Juden selbst. Wie kann sich eine
Friedenskonf.[erenz] damit befassen?

   Chassanowitz: Wir haben 130,000 Juden in
Palästina. Es sind 10,000 Bauern darunter.

   Borochow: Wir verlangen die Beseitigung der
Hindernisse, die hier im Wege stehen. Wir verlangen nicht einen
jüd.[ischen] Staat in Palästina sondern die Aufhebung
d.[er] Einschränkungen. Die Juden sind das einzig[e]
wirtschaftsfähige Element8 in Palästina. Wir verlangen
nur, dass man uns nicht stört.

   Troelstra: Einerseits macht man Bestimmungen zugunsten
eines bestehenden Teils. And[e]rerseits will man eine künstliche
Einwanderung aus anderen Ländern [Verb fehlt - aufheben?].

   Huysmans: Was man der Türkei fragt was hier ist so
gilt das abgesehen von den Juden. In Brasilien wird dies[es] Problem akuter als
anderswo. Je mehr Leute da kommen desto grösser wird das Bedürfnis
nach Kultur.[autonomie] Wird's negativ gehalten und mit nötiger Vorsicht,
dann wird's gut gehen.

   Troelstra: Wie d.[ie] Frage jetzt gestellt wird so wird
sie von der Judenfrage gelöst. Wird d.[ie] Frage mehr im Rahmen d.[er]
Handelsfreiheit u.[und] d.[er] Emigrationsfreiheit behandelt wird so ist es
besser. Besser die Frage nicht mit der Judenfrage zu verquicken.

   Chassanowitz macht eine Übersicht über die
Disposition ihres Gutachtens.9

   Serubawel [Zerubawel]: Wir wollen die Frage nicht nur
als eine allgemeine internat.[ionale] Frage stellen. Die jüdische Frage
ist nicht zu lösen nur in einem allgemeinen demokrat.[ischen] Rahmen. Wir
meinen dass das Selbstbestim.[mungs]recht d.[er] Völker durchgesetzt
werden muss. Aber das ist nicht status quo. Palästina ist besetzt und die
da wohnende Bevölkerung muss nicht selbst da entscheiden. Palästina
80,000 Kvadratkilometer. Aber da kommen nur 9-11 Personen pro Kilometer. In
Ägypten 31 Personen pro Kmetr [Kilometer]. Die Türken wollen
überall herrschen. Deshalb leiden sie die anderen Elemente nicht.

   Der Punkt von Palästina ist doch auf einem extra
Judenkongr.[eß] in Amerika berücksichtigt worden.10 Weil
sie meinen dass die Judenfrage nicht eine Frage nur im Kriege ist sondern eine
bleibende nach wie vor. Die Zahl der Einwohner ist 3/4 Millionen. Die anderen
sind meist Araber. Zur Zeit bei Zerstörung des Tempels hatte
Paläst.[ina] etwa 4 Millionen Einw.[ohner]

   Huysmans: Mich interessiert dass d.[ie] jüd.[ische]
soz.[ialistische] Gemeinde einverstand.[en] ist über die erste
Frage, über Kulturautonomie also. Die administr.[ative] Autonomie
wie denken Sie sich diese?

Chass.[anowitz] : Trägt die Beantw.[ortung] der Frage der
Autonomie vor aus dem geschrieb.[enen] Gutachten.11 Wir verlangen
dass die Erde d.[er] Menschheit gehört. Deshalb verlangen wir freie
Kolonisation in allen Ländern. Wirksame Durchführung d.[er]
Pol.[itik] d.[er] off.[enen] Thür u.s.w. Die Kolonialpol.[itik]
[Kolonisationspolitik] ein demokrat.[isches] Verlangen. Palästina kann auf
Grund d.[er] Landwirtsch.[aft] 4 Mill.[ionen] Menschen ernähren. Nun
giebt's da nur 1 Million. Wir wollen niemand verdrängen. Wir wollen nur
Betätigungsfreiheit. Jede Nation muss selbst entscheid.[en] ob sie frei
sein will oder nicht. So betr. d.[er] Polen, d.[er] Elsässer u.s.w.
Innerhalb d.[er] jüd.[ischen] Part.[ei] streiten wir uns ob wir mehr
verlangen werden aber vor der Welt verlangen wir Autonomie. Die nat.[ionalen]
Autonomien bilden zusammen ein System. Wir finden dass es unsinnig wird die
Frage d.[er] Juden auf eine Kulturfrage zurückzuführen. Wir brauchen
nicht nur Kultur sondern auch Brot.12 Die Frage d.[er]
Nationen in Belgien z.B.: auch da muss wohl die Auton.[omie] angewandt werden.
Vielleicht d.[ie] Frage nicht akut für Belgien. Aber uns wird in Galizien
z.B. die eigene Schule geweigert: Im [Jahre] 1910 konstatierte man dass die
Judennot im Lande ungeheuer war.

   Troelstra: Stellen Sie sich vor dass d.[ie] Konfer.[enz]
nur 14 Tage dauern kann. Da müssen grosse und akute Fragen behandelt
werden. Einige Tage müssen d.[er] Schuldfrage gewidmet werden. Wir
müssen uns so viel als mögl.[ich] beschränken. Sollen
d.[die] Juden als eine Nation betracht.[et] werden?

   Ja, wenn d.[ie] verschied.[enen] Org.[anisationen] darüber
einig sind. Die Juden in Amerika sind dafür. Der jüd.[ische]
Arb.[eiter] Bund auch dafür. Keine Schwierigkeit also Einigkeit zu finden
in diesem Punkte.

   Aber dann die paläst.[inensische] Frage. Diese Frage
schwierig. Die türk.[ischen] Genossen haben gesagt dass die Zionistische
Frage für sie eine sonderbare Frage ist.13 Sie verstehen dass
d.[ie] Juden zu Paläst.[ina] zurückwollen aber sie verstehen nicht
dass ihre (d.[ie] türk.[ischen]) Verhält.[nisse] deshalb
geänd.[ert] werden müssen. Sie weisen darauf [hin] dass d.[ie]
Türkei keine grossen jüdischen Massen haben. Weshalb sollte also
d.[ie] Türkei sich hier opfern. Leichter, wenn man kein gewisses Land
für sich auswählt. In der Konferenz wird darüber eine
ausführl.[iche] Debatte kommen müssen. Wenn Sie sagen dass Freiheit
d.[er] Einwand.[erung] in allen Ländern festgelegt werden muss so giebt's
Schwierigkeiten. In Stuttgart haben wir d.[ie] Emigrantenfrage
behand.[elt]14 Wir haben uns dahin ausgespr.[ochen] dass d.[ie]
Arb.[eiter] eines jeden Lande[s] für d.[ie] Freiheit d.[er]
Einwand.[erung] zu arbeiten [haben]. Es ist ein Eingr.[iff] in das
Selbstbest.[immungs]recht eines Volkes gezwungen zu sein
Einwanderung zuzulassen. Wenn Kolonisation wird so kostet es Geld. Woher das
Geld? Es kommt dann zustande eine Interessesfäre [Interessensphäre]
und da fragt sich, ob jeder Staat gezwungen sein muss dies zuzugeben.
Sehr wünschenswert, wenn Sie über die nat.[ionale] Frage im
allgemeinen eine Aussprache haben konnten [könnten].

   Chassan.[owitz] In Bez.[ug] auf Freiheit d.[er]
Einwand.[erung] fordern wir nur diese Freiheit hinsichtl.[ich] der Länder
die dünn bevölkert sind. Kein Eingriff wenn jede Kolonie so selbst
erklärt wird dass sie sich absperren kann. Wir wollen nicht d.[ie]
Verkrüppelung d.[er] Produktion sondern ihre Freiheit. Wenn wir d.[ie]
Forder.[ung] auf Freiheit d.[er] Einwand.[erung] in dem Sinn erheben so gilt es
auch Palästina. Die Türkeit hat kein Recht d.[ie] ungeheuren Strecken
die sie beherrscht abzusperren. Wir haben die Millionäre zu Gegnern in
dieser Frage. Wir haben 20 Millionen Francs für d.[en] Nationalfond
gesammelt.15 Das Land muss dem Volke gehören. Die Juden
könnten sich doch nicht als Werkzeuge brauchen lassen. Die sind dazu zu
national gesinnt.

   Huysmans: Was kann dieser Kongress in dieser Frage tun?
Denken Sie wirklich dass eine Einkorporierung dieser zweiten Frage in einer
Resolution glücklich ist? Ist es prakt.[isch]
mögl.[ich] die paläst.[inensische] Frage zu
lösen.

Anmerkungen

1   Dort auch hschr. Notizen von Huysmans (3 S., franz.); Notizen
von Troelstra, dat. 27. Juli, IISG, NL Troelstra, 423; Erklärung und
Pressekommuniqué siehe Dok. Nr. P/60b-c. - Nach den Notizen von Huysmans
waren neben den drei im Protokoll genannten Vertretern von Poale Zion, Leon
Chasanovitch, Ber Borochow und J. Zerubawel, sowie Troelstra und Huysmans auch
Branting und Engberg anwesend. Die Sitzung endete um 19 Uhr. Zur Delegation von
Poale Zion gehörten auch Michel (Shlomo) Kaplanski, Berl Locker, Mark
Jarblum und B. Weltmann; letzterer war nicht in Stockholm. In schwed.
Social-Demokraten 28.7.1917, S. 4, wurde Poale Zion, der Jüdische
sozialistische Arbeiterverband, kurz vorgestellt. Der Verband, der auch ein
zionistische Programm habe, habe Organisationen in Rußland, Polen,
Österreich, Bulgarien, England, der Schweiz, Palästina, USA und
Argentinien und sei "die einzige jüdische Arbeiterorganisation, die
Weltcharakter habe" ("den enda judiska arbetarorganisationen, som har en
världskaraktär"). - Zur Sitzung und zu den Forderungen von Poale Zion
Jarblum 1933, S. 11-14; Keßler 1994, 103f.; Kelemen 1996, S. 332, 338;
Geldof 1996, S. 323-325, der u.a. auf die "doppelte Rolle" von Kaplanski
hinweist, Delegationsmitglied und im Holländisch-skandinavischen Komitee
beteiligt an der Zusammenfassung der Forderungen der Delegationen und damit der
Ausarbeitung des Friedensentwurfs; zu Kaplanski ebd. S. 321, Anm. 57.
Biografische Angaben zu ihm auch in Ritter 1980, S. 641, Anm. 113; dort auch zu
Chasanovitch S. 457, Anm. 1, und zu Locker S. 909.

2   Chasanovitch war auf dem Weg nach Stockholm am 20.7.1917 in
Kopenhagen, um dort u.a. mit Stauning und Borgbjerg sowie mit dem
Literaturhistoriker Georg Brandes zu sprechen. Auf Grund von "mir ganz
unbegreiflichen Passformalitäten", wurde ihm "das Gastrecht"
verweigert, und er mußte sofort nach Malmö in Schweden weiterreisen;
so in einem Brief an Social-Demokraten (Kopenhagen), 21.7.1917, in ABA, SDF,
191. Von der Polizei wurde ich, schreibt er weiter, "wie ein Verbrecher
überwacht und wie ein gefährlicher Verbrecher behandelt". "Diese
Behandlung ist mir ganz unbegreiflich". Er halte es für seine "Pflicht",
seine Beschwerde den dänischen Parteifreunden mitzuteilen. In ABA sind
weitere Schreiben vom August von und an Chasanovitch, von und an Julij
Weinberg, Vertreter des Arbeiter- und Soldatenrats in Stockholm, sowie
Zeitungsausschnitte zum "Fall Chasanovitch". Stauning agierte im Namen seiner
Partei durch einen Protest beim dänischen Justizminister und drückte
Chasanovitch gegenüber "tiefes Bedauern" aus wegen "solch einer unbilligen
Behandlung". Chasanovitch dankte am 30.8. "für Ihre energische und prompte
Intervention".

3   Dies auch hervorgehoben in den oben in Anm. 1 nachgewiesenen
Notizen von Huysmans und Troelstra.

4   In den oben in Anm. 1 nachgewiesenen Notizen von Troelstra:
"person. autonomie voor alle landen waar joden in massas
leven
"[personale Autonomie in allen Länden, wo Juden in Massen
leben
].

5   In den oben in Anm. 1 nachgewiesenen Notizen von Troelstra:
"Vragen pers. aut.[tonomie] voor alle nationale minderheden" [Verlangen
personale Autonomie für alle nationalen Minderheiten]. In den Notizen von
Huysmans, ebd., auch zweimal Hinweis auf "autonomie personelle".

6   Dies auch ausführlich zusammengefaßt in den oben in
Anm. 1 nachgewiesenen Notizen von Huysmans und Troelstra. Troelstra faßte
die Ausführungen folgendermaßen zusammen: jedes Land müsse eine
gesunde Landwirtschaft haben. Kolonisation werde ein Bedürfnis der
entwickelten Völker, aber auch in Rußland bestünden seit einem
Jahrhundert jüdische Kolonien. Es sei im Interesse der Juden,
Niederlassungshindernisse zu beseitigen, und durch die Juden käme es zu
produktiver Arbeit. In Palästina finde seit 30 Jahren eine jüdische
Kolonisation statt. Dort gebe es 130000 Juden, davon 10000 Kolonisten in 30
Kolonien. Es sei das einzige Land, in dem sich die Juden der Landwirtschaft
widmeten. "Turkische regeering hinderpalen: vochte zettel, moelijkheid aankoop
en bouw, verlotterte Turk Wirtschaft. 30% belasting aller boeren, slechte
rechtstoestand - voor joden nog erger dan voor rückständige
boerenbev. / willen beperk. van kolon. en Einwanderung / moderne
rechtsverh.[ältnisse] - Palestina een einheitliches Gebiet - nu gesplitst
in villayets elk met bezondere zwarigheden / Recht op arbeid: geen hindernis
tegen eigen Thätigkeit" [Behinderung der türkischen Regierung:
feuchte Niederlassungen, Schwierigkeiten bei Ankauf und Bau, verlotterte
türkische Wirtschaft. 30% Besteuerung aller Bauern, schlechte
Rechtszustände - für Juden noch schlimmer als für die
rückständige Bauernbevölkerung. /wollen Beschränkung der
Kolonisation und Einwanderung / moderne Rechtsverhältnisse -
Palästina ein einheitliches Gebiet - jetzt in verschiedene Vilayets
aufgeteilt, jede mit ihren eigenen Schwierigkeiten /Recht auf Arbeit: kein
Hindernis der eigenen Betätigung]. - Zu den Verfolgungen der Juden in
Palästina siehe Nachweise in Dok. Nr. P/20, Anm. 8, Nr. P/22, Anm. 15, Nr.
P/29a, Anm. 8, und Nr. P/59, Anm. 3.

7   In den oben in Anm. 1 nachgewiesenen Notizen von Huysmans: "a)
Accord sur autonomie de culture. Parce que autres nationalités. b) Mais
quid? Demandez autonomie administrative? c) Reste Palestine. Pouvons-vous
régler ce qui n'existe pas encore?"

8   In den oben in Anm. 11 nachgewiesenen Notizen von Huysmans
"élément productif".

9   Dies ist vielleicht die Erklärung in Dok. Nr. P/60b. Das
Memorandum von Poale Zion nachgewiesen in Dok. Nr. P/60c, Anm. 2. - Durch die
Aufnahme der wichtigsten Forderungen in den Friedensentwurf des
Holländisch-skandinavischen Komitees am 10.10.1917 (Anerkennung des
internationalen Charakters der jüdischen Frage, wirtschaftliche und
personelle Autonomie der Juden in Osteuropa, "Schaffung einer jüdischen
Heimstätte" in Palästina), siehe Dok. Nr. P/72 -72a, wurde nach
Jarblum 1933, S. 13f., "the hostile attitude" der internationalen
Sozialdemokratie dem Zionismus gegenüber überwunden und "the first
victory, or rather the first step" erreicht. Nach Keßler 1994, S. 103f.,
hatte sich damit "zum ersten Mal eine internationale Körperschaft der
Sozialdemokratie zur offiziellen Identifikation mit den Absichten des Zionismus
bereitgefunden". - Van Kol nahm 1919 den Gedanken einer "sozialistischen
Kolonialpolitik" durch den Zionismus auf; siehe Kelemen 1996, S. 338f.

10   Nachgewiesen in Dok. Nr. P/40, Anm. 10. Siehe auch Erklärung
von Davidovitch in Dok. Nr. P/40a.

11   In Stockholm wurden, wie zuvor schon Konferenz der
sozialistischen Parteien aus den neutralen Ländern im Haag, 31.7.-2.8.
1916, auch folgende Schriften vorgelegt: "Forms of national autonomy. Preface
to a lesgislation project of national autonomy", "Entwurf eines Gesetzes der
nationale Selbstverwaltung (Etwa für die jüdische Minderheit in
Polen)" und "Der Zionismus erstrebt für das jüdische Volk die
Schaffung einer öffentlich-rechtlichen gesicherten Heimstätte in
Palästina", Denkschrift B des zionistischen Komitees in Den Haag.
Sämtliche in CHA, Stockholm, Losse documenten, Mappe Joodse kwestie 1917;
die erstere auf deutsch, "Formen nationaler Autonomie" auch in IISG, NL V.
Adler, 4, und der "Entwurf" auch ARAB, NL Branting, 4.1:2, und in IISG, SDAP,
2145.

12   Nach den oben in Anm. 1 nachgewiesenen Notizen von Troelstra
erklärte Chasanowitch, daß man in der Frage der nationalen Autonomie
mit dem Bund übereinstimme ("over nation. autonomie eenheid met Bund
enz."). "Cultureel -administratief nationaliteit soll konstitui[e]rt werden /
vrijheid Einwanderung in allen Ländern, in jungfräul.[iche]
Länder / tegen selbstbestimmung" [kulturell-administrative
Nationalität soll konstituiert werden /Freiheit der Einwanderung in allen
Ländern, in jungfräuliche Länder /gegen: Selbstbestimmung].

13   Siehe Komiteesitzung am 12.7.1917, Dok. Nr. P/56.

14   Protokoll des Stuttgarter Kongresses der Internationale 1907,
S. 57-64, 113-120.

15   Nach den oben in Anm. 1 nachgewiesenen Notizen von Troelstra
erklärte Chasanowitch, das Geld stamme aus den ärmeren Klassen, die
Millionäre seien gegen den Zionismus ["Geld uit armere klassen /
Millionaire tegen Zionismus"].