Sitzungen des Holländisch-skandinavisch-russischen Komitees zum Friedensentwurf, 3.-6. Oktober 1917

P/72
Dän. Social-Demokraten 7.10.1917, S. 4 (gezeichnet B. = Frederik J. Borgbjerg).1

Stockholm.

   Fredskonferencens Organisationsbureau har været samlet
fra i Onsdags.

   Til Stede var:

   Russeren Goldenberg,2 Belgieren
Huysmans, Hollænderne Troelstra,3 van Kol
og Wibaut, Nordmanden Vidnes, de Danske Fru Bang og
Borgbjerg, Svenskerne Branting og Møller.

   Bureauet overdrog de neutrale Medlemmer, altsaa den
Hollandsk-skandinaviske Komité, at udarbejde et Forhandlingsgrundlag for
den kommende Fredskonference paa Basis af de fra de forskellige socialistiska
Partier indkomne Memoranda. Efter fire Dagers Møder er dette Arbejde nu
fuldført. De udførlige Aktstykke, der er Resultatet vil blive
offentliggjort næste Uge. Det indeholder positive Forslag til
Løsning af det Belgiske, Elsass-Lothringske og Polse Spørgsmaal
samt Balkanspørgsmaalene, og udtaler sig om alle andre
Spørgsmaal, der er behandlet i de indkomne Memoranda.

   Der er opnaaet fuld Enighed i den Hollandsk-skandinaviske
Komité, og Forslaget bliver underskrevet af alle de
tilstedeværende Medlemmer. Forslaget menes i høj Grad at ville
fremme Udsigten for Konferencens Sammentræden og for Opnaaelse af Enighed
mellem alle socialistiska Partier om et fælles Fredsprogram.

   B.

Übersetzung

   Das Organisationsbüro der Friedenskonferenz war seit
Mittwoch versammelt.

   Anwesend waren:

   Der Russe Goldenberg, der Belgier Huysmans, die
Holländer Troelstra, van Kol und Wibaut, der Norweger
Vidnes, die Dänen Frau Bang und Borgbjerg, die
Schweden Branting und Möller.

   Das Büro übertrug es den neutralen Mitgliedern, also
dem Holländisch-skandinavischen Komitee, eine Grundlage für die
Verhandlungen auf der kommenden Friedenskonferenz auszuarbeiten, ausgehend von
den von den verschiedenen sozialistischen Parteien eingereichten Memoranden.
Nach viertägigen Sitzungen ist diese Arbeit jetzt beendet. Das Ergebnis,
ein ausführliches Dokument, wird in der nächsten Woche
veröffentlicht. Es enhält positive Vorschläge zur Lösung
der belgischen, elsaß-lothringischen und polnischen Frage sowie der
Probleme auf dem Balkan, und es werden alle übrigen Fragen, die in den
vorgelegten Memoranden behandelt wurden, angesprochen.

   Im Holländisch-skandinavischen Komitee wurde
Einstimmigkeit erreicht, und der Vorschlag wird von allen hier anwesenden
Mitgliedern unterzeichnet. Der Vorschlag ist in hohem Maße dazu gedacht,
die Aussichten für das Zusammentreten er Konferenz und für eine
Einigung aller sozialistischen Parteien über ein gemeinsames
Friedensprogramm zu fördern.

Anmerkungen

1   Überschrift "Fredskonferencen i Stockholm. Et
Forhandlingsgrundlag udarbejdet. (Pivattelegramm)" [Die Friedenskonferenz in
Stockholm. Eine Grundlage für die Verhandlungen ist erarbeitet worden
(Privattelegramm)]. - Die "wichtige Sitzung" am 3.10. sollte um 11 Uhr
beginnen, so im Telegramm (Konzept) von Huysmans an Borgbjerg, o.D., in CHA,
Stockholm, Corr., Sept. 1917, Nr. 53. Zu den Sitzungen am 5. und 6.10.1917
kurze Notizen von Van Kol, IISG, NL Van Kol, 57. Es wurden die Türkei,
Polen, der Balkan, Finnland, Serbien, Kroatien, die Ukraine und die
flämische Frage behandelt, aber die Stichpunkte sind zu kurz und keiner
Person zugeordnet, um ergiebig zu sein. Im Hinblick auf die letzteren vier ist
auf jeden Fall von "Kulturautonomie" die Rede. - Von der Arbeit am
Friedensentwurf liegen hschr. Konzepte und mschr. Entwürfe, z.T. mit
hschr. Verbesserungen und Streichungen, auf deutsch, franz. und engl., sowie
hekt. Versionen vor, in IISG, NL Troelstra, 419, 424, 429, 580, und NL Wibaut,
226 III; CHA, Stockholm, N. & C., Okt. 1917, und Losse documenten, Mappe
Mémoire explicatif; ARAB, Holländsk-skandinaviska kommittén,
Box 1; ABA, SDF, 531, 823. - Siehe auch Dok. Nr. P/72a. - In einem Interview
kurz vor seiner Rückreise nach Holland erklärte Troelstra zum
Friedensvorschlag, in schwed. Social-Demokraten 16.10.1917, S. 1: Im Komitee
sei "ohne große Mühe völlige Einigkeit" ("utan någon
större möda fullständig enighet") erreicht worden, obwohl die
Meinungen geteilt gewesen seien. Vgl. aber Nachweis aus Troelstras Erinnerungen
in Dok. Nr. P/69, Anm. 7. Nach Huysmans in Stockholm 1918, S. XXVII, waren die
Diskussionen "longs et fructueux". "Les opinions étaient perfois
divergentes, mais tous les délégues avaient conscience qu'ils
travaillent pour le bien commun". Scheidemann zitiert in seinen Memoiren
Borgbjerg, den er am 6.10.1917 in Kopenhagen getroffen hat: "Vier Tage lang hat
das Komitee an einer Arbeit des braven und lieben Troelstra herumgedoktert, die
er das Memorandum aller Memoranda nennt"; Scheidemann 1928/2, S. 101. Im
Bericht in norw. Social-Demokraten 8.10.1917, S. 1, ist u.a. von langen
Sitzungen die Rede. Man weist auch daraufhin, daß der Friedensentwurf in
dieser Woche veröffentlich werde. Veröffentlicht werde auch das
gesamte Dokumentationsmaterial des Organisationskomitees, das "von
außerordentlich großem Interesse" ("av overordentlig stor
interesse") sei; das Manuskript werde wahrscheinlich im November abgeschlossen.
Siehe dazu Nachweise in Dok. Nr. P/72a, Anm. 3.

2   Goldenberg in dem oben in Anm. 1 nachgewiesenen norwegischen
Bericht nicht genannt. Die russischen Vertreter waren an den Diskussionen
beteiligt; am 19.9.1917 wurde beispielsweise Akselrod genannt, siehe Dok. Nr.
P/70b, Anm. 8. Die russischen Delegierten haben den Friedensentwurf jedoch
nicht unterschrieben. In Stockholm 1918, S. XXVII, erklärte Huysmans: "Par
mesure de prudence, il fut décidé que les membres des pays
neutres assumeraient la responsabilité du document, mais leurs
collègues russes et belge [= Huysmans] participérent à la
discussion et à l'élaboration de l'avant-projet". - Siehe auch
Dok. Nr. P/72a, Anm. 2.

3   Siehe Bericht Fürstenberg (über Hadik) an Czernin,
3.10.1917, über eine Unterredung mit Troelstra, in HHStA, PA I, Krieg 25
z, rot 958. Das Komitee bereite einen Bericht über die Friedensfrage vor,
das Grundlage für die weitere Diskussion bei den einzelnen Parteien bilden
solle. Auch für Troelstra seien die Mittelmächte ein "Hort der
Reaktion". Der wichtigste Faktor sei jetzt die Demokratisierung Deutschlands.
Im Moment sei keine Aussicht auf Frieden vorhanden. Rußland zerfalle,
Deutschland hoffe auf einen Diktatfrieden im Osten, und die Entente wolle
weiter Krieg. "Am meisten liegt meinem Mitredner die Regelung der
Nationalitätenfragen am Herzen, die für den gegenwärtigen Krieg
den Boden vorbereitet hätten. [...] Der Nationalitätenschutz
müsse international geregelt werden, zu diesem Zweck sollten die in
Betracht kommenden Begriffe genau definiert und die einzelnen Abstufungen vom
losen Staatenbund bis herab zu einer bescheidenen kulturellen Autonomie
inhaltlich festgelegt werden". Den Nationalitäten müsse "die freie
Entfaltung ihrer Kräfte" gesichert werden. "Dies sei nur im Wege einer
Beschränkung der Souveränitätsrechte der Staaten
durchführbar, und eine solche werden sich die Regierungen wohl oder
übel gefallen lassen, wie überhaupt der Frieden im Zeichen der
Internationalität stehen werde, wobei Troelstra nicht nur die
sozialdemokratische meint, sondern im weiteren Sinne ein Zurücktreten der
innerstaatlichen Legislation vor internationalen Vereinbarungen auf allen,
wirtschaftlichen, politischen und finanziellen Gebieten voraussieht". Troelstra
gebe dem Staatenbund den Vorzug, er sei gegen die Zerschlagung supranationaler
Staaten. In diesen sei die Staatsmacht eher eingeschränkt, es herrsche
mehr Freiheit für das Individuum." [...]. Wie die Labour Party sei
Troelstra gegen die Auflösung Österreichs. Er sei allerdings nicht
unbeeindruckt durch die Darstellung der österreichischen Verhältnisse
durch einzelne nichtdeutsche Delegierte, besonders durch Bosnier und Tschechen
(vermutlich Habermann). Auch die SDAPÖ sei dabei nicht ohne Fehler und
ohne Schuld. "Auch ihnen fehle, wie er sich aus Gesprächen mit Dr. Adler
und seinen Parteifreunden überzeugen konnte, das richtige Verständn