Baier, Walter; Trallori, Lisbeth N.; Weber, Derek (Hrsg.): Otto Bauer und der Austromarxismus. "Integraler Sozialismus" und die heutige Linke. Berlin: Karl Dietz Verlag Berlin 2008. ISBN 978-3-320-02134-4; 304 S.; EUR19,90.
Goller, Peter: Otto Bauer - Max Adler. Beiträge zur Geschichte des Austromarxismus 1904-1938 (= Alfred Klahr Gesellschaft Quellen & Studien). Wien: Verlag der Alfred Klahr Gesellschaft 2008. ISBN 978-3-9501986-4-5; 164 S.; EUR 10,00.
Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Uwe Fuhrmann, Berlin
E-Mail: [mailto]uwefuhr@web.de[/mailto]
Der Austromarxismus als besondere Spielart der europäischen sozialistischen Arbeiterbewegung hat vor allem im Zuge der Wiederentdeckung sozialistischer "Klassiker" in den 1970er-Jahren die Aufmerksamkeit von Historiker/innen erfahren. Otto Bauer (1881 - 1938) als Mit-Begründer des "Integralen Sozialismus" und der 1. Republik Österreich, aber auch Max Adler und andere wurden neu diskutiert. Danach wurde es eher ruhig um den Austromarxismus. Vielleicht aufgrund immer neuer Anzeichen der Krisenhaftigkeit des globalen Kapitalismus auch in den "westlichen" Ländern scheint es in den letzten Jahren verstärkt zu einer erneuten Rezeption sozialistischer Theoretiker wie Marx, Gramsci oder eben Bauer zu kommen. Ein Ausdruck dafür sind die vorliegenden Neuerscheinung aus dem Jahr 2008.
Der Band aus dem Dietz Verlag ist das Ergebnis eines Symposiums, das2006 anlässlich des 70. Jahrestages des Erscheinens von Bauers letztem zu Lebzeiten publizierten Werk "Zwischen zwei Weltkriegen? Die Krise der Weltwirtschaft, der Demokratie und des Sozialismus" (1936) in Wien stattfand. Ausdrückliches Anliegen der Herausgeber ist es die Aktualität der Überlegungen Bauers und der austromarxistischen Bewegung zu überprüfen. Er richtet sich also nicht nur an Historiker/innen, sondern auch an Interessierte, die diese im Buch reflektierten historischen Erfahrungen für die Gegenwart nutzen wollen.
Der Sammelband bringt in 24 zum Teil kurzen Aufsätzen (zwischen 6 und 22Seiten) eine Vielzahl verschiedener Autor/innen und Sichtweisen zusammen. Dabei kommen nicht nur Soziologen/innen und Historiker/innen, sondern auch Künstler/innen, Pädagog/innen und ein Moralphilosoph zu Wort. Diese Kombination entspricht der "Vielfalt politischer Erfahrungen" (S. 10) die dem historischen Austromarxismus im Vorwort zugesprochen werden. Der Band gliedert sich in sieben Themenbereiche, die aus verschiedenen Perspektiven unterschiedliche Bereiche des Austromarxismus im Allgemeinen und der Konzepte Otto Bauers im Besonderen beleuchten. Auf die angemessene Berücksichtigung der Gender-Themen wird besonders viel Wert gelegt, diese werden nicht einfach als eigene Kapitel angehängt, sondern erfreulicherweise systematisch miteinbezogen. Der Versuch kein "re-affirmierendes Projekt"(S. 11) zu verlegen und den Austromarxismus differenziert zu analysieren ist insgesamt konzeptionell gelungen. Und tatsächlich gelingt es auch im Folgenden weit über die im Vorwort erwähnte Deutung hinauszugehen, der Austromarxismus tarne lediglich opportunistische Politik durch radikale Rhetorik.