Voigt, Carsten: Kampfbünde der Arbeiterbewegung. Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold und der Rote Frontkämpferbund in Sachsen 1924-1933. Köln u.a.: Böhlau Verlag Köln 2009. ISBN 978-3-412-20449-5; 607 S.; EUR 64,90.
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Vor 1933 ist Sachsen stets eine Hochburg der Arbeiterbewegung gewesen.
Innerhalb dieser Bewegung bildete es aber stets auch einen Sonderfall, der sich auf die Arbeiterparteien, die SPD wie die KPD, auswirkte.
Sachsen bietet somit ein fruchtbares Untersuchungsfeld für jeden, der sich mit der Arbeiterbewegung befasst, da hier die inneren Auseinandersetzungen mit einer Vehemenz geführt wurden, die an Unerbittlichkeit grenzte, und sich grundsätzliche Dispositionen daher umso deutlicher herausarbeiten lassen. Carsten Voigt hat diese Herausforderung angenommen und in seiner Leipziger Dissertation auf breiter Quellenbasis die Entwicklung der "Kampfbünde der Arbeiterbewegung" in Sachsen, des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold und des Roten Frontkämpferbundes (RFB), zum Gegenstand seiner Untersuchung erhoben. Da die Standardwerke über die beiden Organisationen bereits 35 bzw. 45 Jahre auf dem Buckel haben[1], ist es erfreulich, dass jüngere Studien nachfolgen und unser Wissen über Reichsbanner und RFB mit eher regionalhistorischer Perspektive vertiefen.
RFB und Reichsbanner, so Voigts These, hätten ihre Wurzeln gleichermaßen in den Proletarischen Hundertschaften gehabt, jener bewaffneten Formation, die, in Preußen verboten, in Sachsen nicht nur geduldet, sondern systematisch gefördert, sich im Herbst 1923 für eine bewaffnete Auseinandersetzung mit den bayerischen Wehrverbänden rüstete, aber durchaus auch eigene innenpolitische Ziele verfolgte. Die Hundertschaften bildeten eine wichtige Basis für "das linksrepublikanische Projekt" (S. 69) der von SPD und KPD unter dem Ministerpräsidenten Erich Zeigner gebildeten sächsischen Landesregierung. Sie seien, so Voigt, aber beileibe keine den kommunistischen Zielen bedingungslos ergebene Bürgerkriegsarmee gewesen, wie oft behauptet, sondern nach regionalem Proporz und Kräfteverhältnis zusammengesetzt gewesen, so dass die sozialdemokratische Dominanz in Sachsen weitestgehend gesichert war. Die Reichsregierung sah die Hundertschaften hingegen ebenso als Untergrabung des staatlichen Gewaltmonopols an wie die Regierungsbeteiligung der staatsfeindlichen KPD als Brüskierung, und so machte die von Reichspräsident Ebert angeordnete Reichsexekution gegen Sachsen am 29. Oktober 1923 beidem ein Ende. Die gewaltsame Absetzung einer sozialdemokratisch geführten Landesregierung durch einen sozialdemokratischen Reichspräsidenten sorgte in der sächsischen SPD durchaus für Verbitterung, und auch das Reichsbanner musste sich - seiner eher gemäßigten Ausrichtung zum Trotz - in Sachsen mit einem im Kern linkssozialistischen, der Zusammenarbeit mit bürgerlichen Kräften äußerst skeptisch gesinnten Zeitgeist arrangieren.