Urlaub nach dem Fall - Transformationen sozialistischer Ferienarchitektur an der kroatischen Adria

Exhibition, 9 August - 1 September, Berlin, Germany (German text)

Veranstalter: neue Gesellschaft für bildende Kunst e.V., Berlin
Datum, Ort: 09.08.2013-01.09.2013, Berlin, Neue Gesellschaft für Bildende Kunst, Oranienstraße 25, D-10999 Berlin

Weltweit galt und gilt die Tourismusindustrie als Wachstumsmotor und Hoffnungsmarkt. Auch in Kroatien stellt sie heute mit einem Viertel des BIP den bedeutendsten Wirtschaftszweig des Landes dar. Sie baut dabei jedoch auf eine Infrastruktur, die bereits während des sozialistischen Modernisierungsschubes der 1960er und 70er-Jahre entwickelt wurde: zu einer Zeit, da raumplanerischen Instrumenten ein hoher Wert beigemessen wurde und explizite Modernität in der Architektur und Kunst zum Corporate Design der Nation zählten.

Die Ausstellung bietet eine Genealogie der großmaßstäblichen Ferienarchitekturen an der Adria-Küste einschließlich der physischen und ökonomischen Transformationen, denen diese Anlagen nach dem Zerfall Jugoslawiens, der Aufgabe des Modells der Selbstverwaltung und der Privatisierung der Betriebe unterzogen wurden. Dabei handelte es sich um Projekte von durchaus bemerkenswerter Qualität, die sich heute – je nach ihrem Standort und dem Engagement der neuen Besitzer – als melancholische Ruinen, bescheidene Renovierungen oder völlig neuartige Überbauungen darstellen.

Mit Beiträgen von: Daniele Ansidei, Arhitektura, CCN-images, Covjek i prostor, Marko Dabrovic, Cemal Emden, Damir Fabijanic, Michael Hieslmair, Hrvatski muzej arhitekture, Ryan Jeffrey, Jana Jocif, 3LHD, Miran Kambic, Boris Magaš, Maistra, Norbert Mappes-Niediek, Maroje Mrduljaš, Branimir Medic & Pero Puljiz – de Architekten Cie., Boris Podrecca, Kerstin Stramer, Tabanlıoglu Architects, Wolfgang Thaler, Touristkomerc, Urbanisticki institut Hrvatske, Valamar, Cat Vinton, Michael Zinganel

Die Ausstellung beginnt mit dem historischen Aufruf Titos "Come and See the Truth", mit dem dieser die großen Tourismusanlagen unter sozialistischer Selbstverwaltung als transnationale Begegnungsstätten bewarb, in denen der Erfolg des dritten Weges Jugoslawiens nach innen wie nach außen, nach Ost und West, kommuniziert werden sollte. Ein zentrales ordnendes Gestaltungselement der Ausstellung bildet eine 15 Meter lange zeitliche Entwicklungslinie, die dem Graphen der Nächtigungszahlen von Tourist_innen in Kroatien folgt. Dieser stieg seit 1955 kontinuierlich an, knickte erstmals 1988 und fiel mit Kriegsbeginn 1991 auf einen vorübergehenden Tiefststand.

Die Timeline endet mit dem aktuellen Slogan der kroatischen Tourismuswerbung "The Mediterranean As It Once Was", neben dem zwei riesige Poster eine Ruine mit nationalistischem Graffity ("Kroaten kauft nur bei Kroaten") und das Interieur des neu eröffneten Designhotels Lone zeigen, das sich optimistisch als Schaufenster für die Creative Industries Kroatiens vermarktet.

Ein zweites strukturierendes Element bildet eine Reihe von Hinweistafeln und unterschiedlich gruppierten und verdichteten kubischen Vitrinen, in denen Case Studys vorgestellt werden, an denen jeweils beispielhaft wichtige Themen verhandelt werden: Sozialtourismus, die übergeordnete Raumplanung, die Vielfalt der Typologien, Interieur, Kunst und Design, Serviced Apartments im Eigentum in Zeiten von Rechtsunsicherheit und Wirtschaftskrise, und die überraschend hohe Anzahl an leerstehenden Resort-Ruinen.

Dabei werden auf visueller Ebene – ‚vordergründig’ – Aspekte der Planungsgeschichte und der baulichen Transformationen illustriert – und parallel über Hörstationen mittels Kopfhörer von Nachrichtensprechern gesprochen die politisch-ökonomischen Hintergründe der Privatisierungsprozesse und ihre Nutznießer kommuniziert.

Kriegsbedingt trat dieser Privatisierungsprozess mit beträchtlicher Verzögerung ein – und traf nicht überall auf Begeisterung. Durch restriktive Bauvorschriften und mangelnde Rechtsicherheit wurde bislang ein Investitions- und Baumboom verhindert – ein Glücksfall für die Küstenlandschaft, wie manche meinen. Mit dem EU-Beitritt jedoch wird erwartet, dass der Widerstand gegenüber den Ambitionen von Investoren ein Ende finden wird.

09. August, 19 Uhr: Eröffnung
11. August, 18 Uhr: Kuratorenführung
01. September, 18 Uhr: Kuratorenführung
01. September, 19.30 Uhr (Finissage): Diskussion mit Boris Buden und Michael Zinganel

Kontakt:
Benita Piechaczek

nGbK, Oranienstraße 25, D-10999 Berlin

++49 - (0)30 - 616 513-13

presse [at] ngbk.de

[Cross-posted, with thanks, from H-SOZ-U-KULT]