Prozesserklärung zur Drohung gegen das Hamburger Fussballstadion

RAF Document ID
0019740529
Author
Bernhard Braun, Brigitte Mohnhaupt
Date
29.5.1974
Source
Abschrift
Text

erklärung im prozess gegen bernhard braun und brigitte mohnhaupt

die drohung, das hamburger fussballstadion mit raketen zu beschiessen, ist eine bullenmeldung, ist eine von den verfolgungsbehörden: verfassungsschutz, sicherungsgruppe, bundesanwaltschaft, politische polizei, innenministerien im rahmen ihrer vom pentagon, cia und fort bragg geplanten antiguerillastrategie ausgesetzte "nachrichtenpflanze" (wie man sowas im jargon der geheimdienste nennt).

nachrichtenpflanzen setzen die staatsschutzbehörden aus, um die öffentliche meinung in einem land für aktionen des staatsapparats zu konditionieren, um bewegungen und erkenntnisprozesse im volk zu manipulieren, um das politische klima bis tief in den zivilen bereich für polizeiaktionen zu instrumentalisieren.
die bedingung dazu sind die imperialistischen medienjournalisten, die sich als konzernjournalisten mit den zwecken der konterrevolution identifizieren, nichts anderes mehr sind als agenten von counterinsurgency gegen das volk.

die meldung hat dieselbe faschistische handschrift wie die im juni 1972 von den bullen lancierte bombendrohung gegen die bevölkerung von stuttgart, von der die bundesanwaltschaft inzwischen zugeben musste (bundesanwalt traeger im mahlerprozess), dass sie aus der ecke der menschenjäger stammte.
um die verfolgungsbehörden als urheber der drohung zu identifizieren, braucht man keine nachrichtendienstlichen informationen: die handschrift der drohung ist die von faschisten, weil sie das blutbad meint, greuelpropaganda ist, terror gegen das volk.

die revolutionäre guerilla droht nicht, sondern handelt. ihre angriffsziele sind die institutionen des imperialismus : militär, polizei, konzerne , bürokraten, die informations-, kommunikations- und kommandozentralen des us-imperialismus in dieser amerikanischen kolonie und der mit ihm kollaborierenden herrschenden klasse hier. sie benutzt bei gefahr für unbeteiligte das mittel der rechtzeitigen warnung, der
unterrichtung. was die bullenmeldung der guerilla unterzuschieben versucht, ist das gegenteil von guerilla-aktionen: unberechenbarkeit, terror um seiner selbst willen, gezielt ungezielte gefahr, die drohung mit massenmord, der millionen von menschen ohnmächtig und hilflos ausliefert.

die meldung zielt als mittel psychologischer kriegführung dahin, wo die guerilla herkommt, in die gefühle, die seele, das bewusstsein des volks, weil die wirkung der militärischen aktion der guerilla in der ersten phase vor allem eine politische, eine ideologische ist: befreiung von resignation - befreiung der phantasie - polarisierung - politisierung, weil durch sie die frage nach dem sinn des lebens gestellt ist und fragestellungen im bewusstsein von vielen, im denken von millionen fussfassen, die mit dem rohen, brutalen, auf profit, konkurrenz, tauschwert und egoiismus ausgerichteten besitzmaterialismus des systems unvereinbar sind - um schon den gedanken an befreiung zu lähmen, antiimperialistische fragestellungen auszumerzen, noch bevor sie sich selbst bewusst geworden sind und in handlung umgesetzt werden können.

sie zielt darauf, das wasser, aus dem die guerilla kommt, in dem sie agiert, zu vergiften, das volk gegen seine eigenen bedürfnisse, interessen und utopien aufzuhetzen, zu einem volk von bullen zu machen.
sie zielt darauf, jeden einzelnen als mensch, als moralisches subjekt zwischen befreiung und verbrechen, revolution und faschismus su zerreiben und zu zerreissen.

neue umfragen haben ergeben, dass sich von 80 schülern zwölf mit den aktionen der raf identifizieren, und frühere umfragen (frühjahr 1972) haben ergeben, dass jeder fünfte zwischen 20 und 30 von sich sagt, er würde strafrechtliche verfolgung in kauf nehmen, wenn es darum geht, kämpfer der roten armee fraktion für eine nacht bei sich zu verstecken. die moral des volks, mit anderen worten, deckt sich nicht mehr mit den imperativen des strafgesetzbuchs, sondern folgt gegenüber revolutionärer initiative ihrer eigenen erkenntnis. das erklärt die nervosität der verfolgungsbehörden - ihre angst, ihre aggressivität , ihre blutrünstige strategie.

die meldung suggeriert plausibilität, indem sie an den falschmeldungen und verdrehungen über den anschlag des schwarzen september 1972 in münchen durch die deutschen medien und behörden anknüpft, an den lügen, die da verkauft wurden sind. aber in münchen waren das angriffsziel genau nicht die zuschauer auf den tribünen, sondern eine truppe israelischer soldaten, propagandisten des israelischen imperialismus, die gefangen genommen wurden, um gegen gefangene revolutionäre ausgetauscht zu werden.
eine menschliche, nach zeit, ort und objekt gezielt antiimperialistische aktion, die einem spektakel des schaugeschäfts, einem spektakel imperialer selbstdarstellung die maske, über den klassen und klassenkämpfen zu stehen, wegsprengte und für einen moment die präsenz aller nachrichtenmedien der welt an einem einzigen ort für die revolution, für die erkenntnis der wirklichkeit des imperialismus und der möglichkeiten von antiimperialistischer aktion ausnutzte.
kein unbeteiligter, keiner, der im krieg israels gegen palästina nicht partei ist, wurde behelligt. es war die deutsche polizei, die die aktion in einem blutbad liquidiert hat.

die staatsschutzbehörden versuchen mit dieser meldung psychologisch kalkuliert eine unpolitische identifikation von einigen millionen fussballfans mit den israelischen sportlern auszubeuten, versuchen sicherheit für die konzerne als sicherheit fürs volk su verkaufen, und schaffen sich so den polizeistaat, in dem das volk sich nicht mehr umdrehn kann, ohne dass ein bulle dasteht. was nur geht, wenn das volk dazu ja sagt, und es sagt ja - nach dieser manipulation, solange es in den nutzniessern nicht die urheber erkennt: kapital, bullen.

zur technik psychologischer kriegführung gehört, dass die meldung monate voraus ausgestreut worden ist.
ende januar erhielten - nach telefonischer auskunft von dpa - einige bürgerliche zeitungen durchschläge eines maschinengeschriebenen textes, in dem angeblich die raf ankündigt, sie würde am 22. juni zur fussballweltmeisterschaft das hamburger volksparkstadion mit raketen (sam-7) beschiessen. am 2. februar brachte die hamburger morgenpost diese meldung als schlagzeile. am 4. februar fanden die lange im voraus geplanten verhaftungen von kämpfern der raf in hamburg und frankfurt statt. wenn man dazu weiss, dass die imperialistischen medien über revolutionäre aktionen nur auf der grundlage von polizeiberichten informieren, wird die funktion der meldung klar: so behalten es sich die verfolgungsbehörden vor, sie nochmal und
nochmal zur schlagzeile aufzublasen, sie als propagandistischen feuerschutz für bullenaktionen zu benutzen, um liquidationen als rechtens zu verkaufen, um die frage nach der verhältnismässigkeit der mittel bei effizienzeinsätzen und fahndungspannen zu manipulieren, auszuschalten.

sie ist auch ein gegenangriff gegen die proteste gegen folter an gefangenen revolutionären, weil man hier so gut wie in griechenland oder brasilien oder england weiss, dass es für folter keine rechtfertigung gibt, dass es aber die proteste abschwächt, wenn es gelingt, den revolutionären die verbrechen des systems in die schuhe zu schieben.

sie ist schliesslich ein mittel, um der justiz in den prozessen gegen die raf aus der beweisnot herauszuhelfen, um juristisch unhaltbare lebenslänglich-urteile von 10, 12, 15 und 20 jahren fällen zu können, um dem skandal, der diese prozesse bereits sind, noch zu entgehen; ein mittel, um die transformation der justiz zu nichts als einer marionette des imperialismus, zur ziehpuppe von innenministerien und bundeskriminalamt zu beschleunigen und durchzusetzen.

wir denken: wenn der feind uns bekämpft, ist das gut und nicht schlecht.
wir denken: wenn die faschisten zu mitteln greifen, die so barbarisch sind, wie es diese meldung ist - wenn sie ihre lage als so aussichtslos einschätzen, dass sie mit solchen vernichtungsparolen ankommen, wenn sie ihren laden so ausverkauft finden, dass sie schon jetzt, wo die guerilla noch schwach ist, mit ihrer greuel- und gegenpropaganda bis zum äussersten gehen, so dass die nächste stufe der eskalation nur wiriyamu in stuttgart, my lai in hamburg sein kann, dann ist das gut und nicht schlecht.
es klärt die situation. jeder kann sehen, was das für schweine sind, die hier die macht haben, dass hier gilt, was überall in der welt gilt: "dass alle imperialisten und ihre lakaien in den händen das schwert haben, um das volk zu ermorden" - und dass es unsere sache ist, mit ihnen zu machen, was sie mit uns vorhaben: sie vernichten.
das volk hat von den feinden des volks nichts anderes zu erwarten als feindschaft.

es lebe die raf!
sieg im volkskrieg!

für die gefangenen aus der raf,
berlin 29.5.1974