Dabringhaus, Sabine: Mao Zedong (= C. H. Beck Wissen). München: C.H. Beck Verlag 2008. ISBN 978-3-406-56239-6; 136 S.; EUR 7,90.
Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Daniel Leese, Institut für Sinologie, Ludwig-Maximilians-Universität München
E-Mail: [mailto]daniel.leese@ostasien.fak12.uni-muenchen.de
Das Interesse an der Person und historischen Bewertung Mao Zedongs ist noch immer ungebrochen. Allein in den vergangenen fünf Jahren erschienen rund ein Dutzend englischsprachige Biographien über den einstigen Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Chinas und kultisch verehrten "großen Steuermann" der chinesischen Revolution. Je nach Ambition der Autoren zielten die Werke dabei entweder auf eine Komplettrevision des Mao-Bildes in der Öffentlichkeit ab, oder aber sie beschränkten sich auf eine mehr oder minder detaillierte Darstellung von Maos Leben und Zeitkontext. Die einzige neuere Biographie Maos, die auch ins Deutsche übersetzt wurde, stammt aus der Feder des Autoren-Ehepaars Jung Chang und Jon Halliday[1] und fand trotz aller Kritik hinsichtlich der mangelnden Wissenschaftlichkeit und Fehlerhaftigkeit der Darstellung einen enormen medialen Widerhall. Die deutlich ausgewogeneren Biographien von Philip Short oder Maurice Meisner[2] hingegen wurden kaum zur Kenntnis genommen.
In Deutschland, in welchem die chinesische Zeitgeschichte seit langem nur ein Schattendasein im akademischen Forschungsbetrieb fristet, muss man deutlich weiter zurückgreifen, um mit Thomas Scharpings"Mao-Chronik: Daten zu Leben und Werk" (1976) und Tilemann Grimms Rowohlt-Monographie "Mao Tse-tung in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten" (1968) [3] auf eigenständige Darstellungen zu stoßen.Bei Ersterem handelt es sich jedoch primär um ein nützliches Nachschlagewerk, im zweiten Fall um stellenweise hagiographische Impressionen basierend auf dem geringen zeitgenössisch verfügbaren Quellenmaterial.
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Li, Lillian M.: Fighting Famine in North China. State, Market, and Environmental Decline, 1690s-1990s. Stanford, CA: Stanford University Press 2007. ISBN 978-0-8047-5304-3; 544 S.; EUR 62,74.
Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Daniel Leese, Institut für Sinologie, Ludwig-Maximilians-Universität München
E-Mail: [mailto]daniel.leese@ostasien.fak12.uni-muenchen.de[/mailto]
In einem Memorandum an den Kaiserhof resümierte Li Hongzhang, der wohl bedeutendste chinesische Staatsmann des ausgehenden 19. Jahrhunderts, die großen Anstrengungen der Qing-Kaiser, den periodisch wiederkehrenden Naturkatastrophen und Hungersnöten in der nordchinesischen Tiefebene Einhalt zu gebieten: "Insgesamt wurden in der Qing-Dynastie - während der Herrschaft [der Kaiser] Kangxi, Yongzheng und Qianlong - mehr als 10 Millionen tael in den Ausbau des Flusssystems gesteckt und dennoch konnten Katastrophen nicht verhindert werden." (S. 67) Li Hongzhang standen hierbei die Überschwemmungen des Jahres 1871 und die furchtbaren Dürren der späten 1870er-Jahre mit geschätzt rund neun bis 13 Millionen Todesopfern vor Augen.
Wie aber konnte es dazu kommen, dass China, welches im 18.Jahrhundert auch westlichen Beobachtern noch als Idealbild effizienter Herrschaft gegolten hatte, zu Beginn des 20.Jahrhunderts als "Land Of Famine" (Walter H. Mallory, 1926) wahrgenommen wurde? Lagen die Ursachen im traditionellen Muster dynastischen Niedergangs? Oder resultierten die Katastrophen aus einem malthusianischen Zusammenhang zwischen massivem Bevölkerungswachstum und begrenzter Anbaufläche?
Dies sind einige der zentralen Fragekomplexe, denen sich Lillian Li in ihrer großen, über einen Zeitraum von rund 25 Jahren entstandenen Studie widmet. Am Beispiel der nordchinesischen Provinz Hebei (ehemals Zhili) und des Huaihe-Flusssystems analysiert sie das Zusammenspiel von Naturgewalten und staatlichen Interventionsmaßnahmen zwischen 1700 und der Gegenwart. Das Buch basiert insbesondere für die Qing-Dynastie auf einer sehr breiten archivalischen Quellengrundlage und umspannt eine Vielzahl von Forschungsfragen, die an dieser Stelle nur angerissen werden können.
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Seifert, Andreas: Bildgeschichten für Chinas Massen. Comic und Comicproduktion im 20. Jahrhundert. Köln: Böhlau Verlag Köln 2008. ISBN 978-3-412-20202-6; geb.; VIII, 309 S.; EUR 44,90.
Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Nicola Spakowski, School of Humanities and Social Sciences, Jacobs University Bremen
E-Mail: [mailto]n.spakowski@jacobs-university.de[/mailto]
Andreas Seifert hat mit seinem Buch über chinesische Comics die längst überfällige Untersuchung eines Phänomens vorgelegt, das mehrere Generationen von Chinesen kulturell und politisch geprägt sowie unzählige China-Kenner nachhaltig fasziniert hat. Er zeichnet die Geschichte des chinesischen Comics, für den sich seit 1949 in der Volksrepublik die Bezeichnung lianhuanhua (wörtlich: Kettenbilder) durchgesetzt hat, von seiner grafischen Vorgeschichte über die Anfänge des eigentlichen Comics in den 1920er-Jahren bis zu seiner Ablösung durch konkurrierende Medien am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts nach.
Der Schwerpunkt der Studie liegt bei der sozialistischen Phase seit 1949, als der Comic als Medium der Erziehung der - jüngeren und erwachsenen - "Massen" staatlich gefördert wurde und entsprechende gesellschaftliche Präsenz erlangte. Seiferts Buch ist dabei vorwiegend als Mediengeschichte konzipiert, die sich auf die Produktionsbedingungen des Comics in einem bewegten politischen Kontext konzentriert und die stilistischen Merkmale von Plot und Grafik eher exemplarisch, am Beispiel einzelner Comics, diskutiert. Leitfrage der Untersuchung ist, "wie Comics im Kontext gesellschaftlicher Entwicklungen eingebettet waren und welche gesellschaftlichen Kräfte von ihnen Gebrauch machten" (S. 2). Auf dieser Grundlage versucht der Verfasser insgesamt zu klären, "warum die originären Formen chinesischer Comics zum Ende des Jahrhunderts von ausländischen Formen verdrängt werden konnten" (S. 2).Die Begrifflichkeit der Studie ist aus der Comicforschung bezogen, aus der auch die ganz grundlegende Definition des Comics als Bildergeschichte stammt. Der Verfasser beschränkt sich in seiner Untersuchung dabei auf die chinesischen lianhuanhua im engeren Sinne, die sich durch die Spezifik der Seitenaufteilung und Wort-Bild-Bezüge von den an japanischen und westlichen Comics orientierten katong unterscheiden. Auch die Karikatur (manhua), für die Überzeichnung und Pointe konstitutiv sind, ist von der Untersuchung ausgeschlossen. Den Diskussionsrahmen bildet die politische Geschichte der Volksrepublik.
Zusätzlich werden Querverweise zu Entwicklungen in Literatur, Oper, Film und Ballett hergestellt, welche größtenteils die gleichen literarischen, historischen und politischen Stoffe verarbeiteten oder sogar die direkte Vorlage für die Herstellung von Comics abgaben. Das Buch gliedert sich in zwei Hauptteile, deren erster die Geschichte des Comics und seiner Vorläufer bis ans Ende der Republikzeit (1911-1949) verfolgt. Der Großteil des Buches ist dem "klassischen" lianhuanhua der Volksrepublik gewidmet, für den Seifert zunächst eine Entwicklungsgeschichte darbietet, um sich dann systematischen Fragen zuzuwenden (Teile 1 und 2 des dritten Kapitels).