Pressekommuniqué zu den Sitzungen des Holländisch-skandinavischen Komitees mit der Delegation der Tschechoslowakischen sozialdemokratischen Arbeiterpartei am 26.-27. Juni 1917

P/45a
CHA, Stockholm, N. & C., Juni 1917:3. Hekt., 8 S.1

COMMUNIQUÉ A LA PRESSE.

   Das holländisch-skandinavische Komitee verhandelte
Dienstag den 26. und Mittwoch den 27. Juni 1917 mit der Delegation der
Tchechoslavischen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, vertreten durch
die Genossen Habermann, Nemec und Smeral.3

   Die Verhandlungen beschäftigten sich hauptsächlich
mit der sozialistischen Aktion zur Erzielung eines allgemeinen Friedens und
mit den nationalen Fragen Österreich-Ungarns und Europas
.

[...]4

Habermann, Nemec, Smeral

Anmerkungen

1   Auch in IISG, NL Troelstra, 433; IISG, Collection
Deuxième Internationale, 220 (hekt., frz.) u. 224 (hekt., frz.); PA AA,
WK Nr. 2 c, Bd. 5, übersandt am 5.7.1917; VÚA-VHA, Fonds CSNR
(franz.), und Státní ústrední archiv (SÚA),
Prag, Fonds 55 aj. 167/1 (deutsch) - Kopien wurden freundlicherweise von Prof.
Jan Galandauer, Prag, zur Verfügung gestellt; schwed. Social-Demokraten
29.6.1917, S. 1 und 6; Právo Lidu 31.8.1917, S, 1f. Siehe auch die
kurzen Notizen in schwed. Social-Demokraten 27.6.1917, S. 1, und 28.6., S. 4.
Bericht von Smeral in Právo Lidu 22.6.1917, S. 1f., und 8.7., S. 1f.; am
22.6., S. 1f., von ihm ebenfalls ein Artikel über "Stockholm". - Zur
ersten Sitzung Dok. Nr. P/45.

2   Zur Delegation siehe Dok. Nr. P/45, Anm. 2. - Nach Benes 1928,
S. 300, über Maxa gestützt auf Berichte der Delegation sei es
in den Verhandlungen mit dem Holländisch-skandinavischen Komitee "mitunter
ziemlich bewegt" zugegangen. - In einem Schreiben von Fürstenberg
(über Hadik) an Czernin, 3.6.1917, HHStA, PA I, Krieg 25 z, rot 958,
heißt es, Maxa habe dem Holländisch-skandinavischen Komitee "eine
Anzahl von Resolutionen tschechisch-slowakischer Vereine in Rußland"
übergeben, von denen das Komitee aber keine Notiz genommen habe, da sie
nicht von Mitgliedern des ISB stammten. In CHA, Stockholm, Corr., Mai 1917, Nr.
89, nachweisbar nur ein Telegramm aus Petrograd von Maxa, als Vertreter
tschechischer sozialistischer Kriegsgefangener, an Troelstra gesandt, in
Stockholm am 15.5.1917 eingetroffen. Dort wird ihr revolutionärer Kampf
und der anderer Gruppen für Befreiung und Selbstbestimmung ("lutte
revolutionnaire pour independance [de] leur peuple et sa libération du
joug de la réaction germano- magyare") sowie für einen
unabhängigen demokratischen tschechoslowakischen Staat mitgeteilt.

3   Es folgt eine größtenteils wörtliche
Wiedergabe des Memorandums der tschechoslowakischen Delegation; abgedruckt in
Stockholm 1918, S. 128-133, und in Brügel 1925, S. 296-298. - Die
wichtigste Forderung: "Ausgehend von diesen prinzipiellen Gesichtspunkten
[Selbstbestimmungsrecht und dessen Folgen] fordern wir fuer unsere tschechische
Nation die Errichtung eines selbständigen tschechischen Staates im Rahmen
des föderativ ausgebauten Donau-Gesamtreiches. Wir fordern, dass in diesem
Bundesstaate alle Angehörigen der tschechischen Nation, soweit sie
geschlossen ein zusammenhängendes Territorium bewohnen, ihre politische
Vereinigung erlangen, also auch die Slovaken. Wir fordern fuer diesen
tschechischen Staat alle Attribute der Souveränität [...], also auch
eine eigene nationale Vertretung und eine dieser verantwortliche vollziehende
Gewalt". Gegenüber der Stellungnahme der österreichischen Delegation
erklärt man "ausdrücklich", daß eine "Autonomie für
national-kulturelle Angelegenheiten" nicht genüge. - Nach Masaryk 1927, S.
202, war die Forderung eines selbständigen tschechoslowakischen
Staates "the first authorized voice from within Bohemia to be raised abroad".
Nach Galandauer 1988, S. 100f., stellte sie "in der Geschichte der
tschechischen Sozialdemokraten ein völlig neuartiges Programm" dar. Das
Memorandum "durchlief die Weltpresse", wurde aber in Österreich
beschlagnahmt. Nach Smeral sei das "eine Äußerung der Blindheit der
Regierung, die nicht begreift, daß diese Erklärung auf Frieden und
Reform sowie auf die Rettung des Reiches ausgerichtet war". Das Memorandum
wurde erst im Rahmen einer Interpellation im Parlament "immunisiert" und damit
öffentlich bekannt. - Das Memorandum sei vorsichtig formuliert worden, um
die Rückreise nicht zu gefährden ("n'a pu être austrement
stylisé, si les auteurs voulaient retourner en Autriche"), so im Brief
von Maxa an Masaryk, Dok, Nr. P/45; nicht genannt im Briefe an Benes. Vgl. auch
den italienischen Bericht, nachgewiesen in Dok. Nr. P/45, Anm. 7. Innerhalb der
tschechischen Delegation bestanden unterschiedliche Auffassungen, siehe Dok.
Nr. P/45. Die Vertreter der zentralistischen tschechischen Partei waren gegen
Selbständigkeit und für Autonomie innerhalb Österreich-Ungarns
(siehe Dok. Nr. P/22 mit Anm. 9). Ebenso die die österreichische
Delegation, die keine Unterdrückung der Tschechen eingestand und diese
Frage nicht im offiziellen Memorandum ansprach (siehe Dok, Nr. P/21 mit Anm.
1). Für Autonomie sprach sich ebenfalls die MSPD-Delegation aus, auch wenn
dies nicht im Memorandum genannt wird (siehe Dok. Nr. P/29). Die USPD
betrachtete dies als eine innere Frage und nahm dazu weiter keine Stellung
(siehe Dok. Nr. P/44b). Allerdings war Kautsky für die Bildung eines
tschechoslowakischen Staates (siehe Dok. Nr. P/45, Anm. 12). Die ungarische
Delegation (Dok. Nr. P/24-25), griff die tschechische Frage nicht auf.