Madarász, Jeannette Z.: Working in East Germany. Normality in a Socialist Dictatorship, 1961-79. New York: Palgrave Macmillan 2006. ISBN 0-230-00160-2; 224 S.
Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
André Steiner, Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam
E-Mail: [mailto]asteiner@uni-potsdam.de[/mailto]
Seit einigen Jahren vertritt eine Forschergruppe unter Leitung von Mary Fulbrook die These, in der DDR hätte in den 1960er- und 1970er-Jahren eine "Normalisierung" stattgefunden. Dabei wird unter Normalisierung vor allem eine Stabilisierung und Routinisierung nach gesellschaftlichen Umbrüchen verstanden, wobei letztere wiederum zu einer meist unbewussten Internalisierung von mindestens einigen der propagierten und erfahrenen Normen führt (S. 11). Stabilisierung, Routinisierung und Internalisierung bilden danach den Kern des universeller anzuwendenden Konzepts der Normalisierung, das Jeannette Madarász - ehemals selbst Mitglied jener Arbeitsgruppe - in dem vorliegenden Band auf die Unternehmenspolitik und -kultur in den "volkseigenen", faktisch aber staatlichen Betrieben der DDR anwendet. Dabei wählt sie einen vergleichenden Ansatz, bei dem die Spezifik der einbezogenen Betriebe mit bestimmten der sozialistischen Planwirtschaft allgemein inhärenten Problemen konfrontiert wird. Das ist auch das Besondere an der vorliegenden Studie gegenüber den bereits existierenden betriebszentrierten Untersuchungen der DDR-Wirtschaft. Es geht Madarász um die Wechselwirkung zwischen den Interessen der verschiedenen Interessengruppen und Individuen in den Betrieben und den zentralen Instanzen. Die vertikalen Beziehungen sollen dabei im Mittelpunkt stehen. Dabei konzentriert sie sich auf drei Themen: die Unterschiede zwischen den betrachteten staatlichen Betrieben, die Veränderungen über die Zeit sowie die Interaktion zwischen den Beschäftigten("Werktätigen") und den zentralen Instanzen (S. 22).
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[url]http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2008-1-202[/url]
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Miethe, Ingrid: Bildung und soziale Ungleichheit in der DDR. Möglichkeiten und Grenzen einer gegenprivilegierenden Bildungspolitik. Opladen: Barbara Budrich Verlag 2007. ISBN 978-3-86649-094-9; 387 S.; EUR 36,00.
Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Renate Hürtgen, Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam e.V.
E-Mail: [mailto]huertgen@rz.uni-potsdam.de[/mailto]
Ingrid Miethe, Professorin für Allgemeine Pädagogik an der Evangelischen Fachhochschule Darmstadt, legt mit diesem Buch ihre Habilitationsschrift vor, die im Rahmen eines Forschungsprojektes der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Geschichte der Arbeiter- und Bauernfakultät (ABF) Greifswald entstand. Die Umwandlung so genannter Vorstudienabteilungen in Arbeiter- und Bauernfakultäten als Einrichtungen des Zweiten Bildungsweges, die Arbeiter- und Bauernkindern den Hochschulzugang ermöglichen sollten, wurde 1949 beschlossen. Bereits 1962 leitete eine Vorlage des Zentralkomitees der SED zur "Reduzierung und Konzentration der Ausbildungskapazitäten der ABF" deren de facto Schließung ein (S. 199). In diesem Zeitraum haben etwa 35.000 Absolventen ihr Abitur abgelegt. Anhand dieser Episode der frühen DDR-Geschichte ist ein historisch und theoretisch anspruchsvoller und anregender Text entstanden, den zu lesen ein Vergnügen ist.
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[url]http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2008-1-203[/url]
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Kucher, Katharina: Der Gorki-Park. Freizeitkultur im Stalinismus 1928-1941. Köln: Böhlau Verlag 2007. ISBN 978-3-412-10906-6; geb.; 330 S.; EUR 54,90.
Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Matthias Stadelmann, Lehrstuhl Osteuropäische Geschichte, Universität Erlangen-Nürnberg
E-Mail: [mailto]stadelmann.osteuropa@t-online.de[/mailto]
Stalinismus und Erholungspark - dabei hat man es mit zwei "kaum in Einklang zu bringenden Welten zu tun: Gewaltherrschaft und Not auf der einen Seite und expandierende Freizeitkultur auf der anderen" (S. 2). Es ist ein vielversprechendes Spannungsverhältnis, dessen sich Katharina Kucher in ihrer Dissertation angenommen hat. Ihr Ziel ist es, "einen Beitrag zur Erforschung des Verhältnisses dieser beiden Welten zu leisten" (ebd.). Angesichts der Hinwendung zur Freizeitkultur nimmt es nicht wunder, dass sich die Autorin eingangs "nicht allein" auf einen totalitär-politischen Stalinismusbegriff beruft, sondern auch auf einen "kulturell-alltäglichen" im Sinne eines way of life. Freizeitgestaltung gehört in solch einer Konzeption ebenso zur Epoche wie die Repression; klären möchte Kucher, ob "die Freizeitkultur als Gegenwelt zum stalinistischen Herrschaftssystem oder als ihr Bestandteil angesehen werden muss, wie politisch durchsetzt der Park war und in welchen Zusammenhängen seine stalinistischen Züge zutage traten" (S. 4).
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[url]http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2008-1-222[/url]
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Kinkley, Jeffrey C.: Corruption and Realism in Late Socialist China. The Return of the Political Novel. Stanford, CA: Stanford University Press 2007. ISBN 978-0-8047-5485-9; 289 S.; EUR 42,52.
Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Anja D. Senz, Institut für Ostasienwissenschaft (Politikwissenschaft, Schwerpunkt China), Universität Duisburg-EssenE-Mail: [mailto]anja.senz@uni-due.de[/mailto]
Korruption kann als eines der zentralen Themen im heutigen China und als Schattenseite der chinesischen Reformpolitik gelten. Nicht nur die chinesische Bevölkerung betrachtet die fast alltägliche Konfrontation mit den verschiedenen Formen von Bestechlichkeit, Betrug und Machtmissbrauch als ein großes Problem, auch Chinas Reputation im Ausland ist durch die grassierende Korruption belastet und so bemüht sich die chinesische Führung in regelmäßigen Abständen darzustellen, dass sie einen erfolgreichen Kampf gegen dieses Übel führt. In China ist Korruption daher als Thema im öffentlichen Bewusstsein präsent. In der wissenschaftlichen Annährung erweist es sich als sperrig. Lange Zeit wurde das Thema in der Wissenschaft wenig beachtet, seit den 1990er-Jahren jedoch wächst die Zahl von Untersuchungen, die sich über unterschiedliche Methoden unter historischen, ökonomischen, soziologischen oder politikwissenschaftlichen Perspektiven mit dem Thema beschäftigen. Dabei ist der Zugang zu diesem Phänomen, das zumeist als öffentlicher Machtmissbrauch zum Zwecke des persönlichen Vorteils definiert wird, besonders in empirischer Hinsicht schwierig. Denn Korruption impliziert die geheime Verabredung zwischen den von "diesem Geschäft" profitierenden Beteiligten und der Verstoß gegen legale oder moralische Normen; sie bleibt im Gegensatz zu anderen Straftaten oftmals ohne direkt erkennbares "Opfer" und damit ohne Ankläger.
Jeffrey Kinkley, Historiker von der New Yorker St. Johns University, wählt in seinem neuen Buch den Zugang zu Korruption über die moderne chinesische Literatur und untersucht Romane, die zwischen Mitte der 1990er-Jahre und 2001 erschienen sind.
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[url]http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2008-1-169[/url]