Steindorff, Ludwig; Schulz, Günther; unter Mitarbeit von Heeke, Matthias; Röttjer, Julia; Savin, Andrej (Hrsg.): Partei und Kirchen im frühen Sowjetstaat. Die Protokolle der Antireligiösen Kommission beim Zentralkomitee der Russischen Kommunistischen Partei (Bol'seviki) 1922-1929 (= Geschichte: Forschung und Wissenschaft 11). Münster: LIT Verlag 2006. ISBN 3-825-88604-2; brosch.; 458 S.; EUR 39,90.
Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Sandra Dahlke, Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg
E-Mail: [mailto]dahlke@hsu-hh.de[/mailto]
In den letzten Jahren sind mehrere Quelleneditionen in russischer Sprache, die das Verhältnis des sowjetischen Staates zu den religiösen Gemeinschaften dokumentieren, publiziert worden. Dabei geraten meist die erste Hälfte der 1920er-Jahre, die Russisch-Orthodoxe Kirche sowie die repressive Politik der bolschewistischen Machthaber ins Visier. Das Interesse konzentriert sich insbesondere auf den so genannten Konfiskationskonflikt, auf die Beziehungen der Bolschewiki zum Patriarchen Tichon sowie auf die Spaltungen innerhalb der Orthodoxen Kirche.[1] Das religiöse Leben der anderen Religionsgemeinschaften auf dem Gebiet der Sowjetunion, insbesondere das der nichtchristlichen, sowie die Politik des sowjetischen Staates diesen gegenüber ist weit weniger gut dokumentiert.
Nun hat Ludwig Steindorff in Verbindung mit Günther Schulz die Protokolle der "Kommission zur Durchführung der Trennung der Kirche vom Staat beim ZK der Russischen Kommunistischen Partei (Bolschewiki)", die im ehemaligen Parteiarchiv (RGASPI) verwahrt werden, in deutscher Übersetzung herausgegeben. Auch die Konzeption der vorliegenden Edition war ursprünglich darauf ausgerichtet, die Protokolle der Kommission für die Zeit bis 1925 als Quelle für die Beziehungen des Patriarchen Tichon mit den sowjetischen Machthabern auszuwerten (S. 7). Es ist eine gute Entscheidung der Herausgeber gewesen, diesen im Hinblick auf die Probleme und Besonderheiten sowjetischer Herrschaft etwas eingeschränkten Blickwinkel zu öffnen und die Publikation der Protokolle auf die Gesamtzeit der Existenz der Kommission von 1922 bis 1929 auszudehnen und somit die gesamte Bandbreite sowjetischer Religionspolitik in den 1920er-Jahren zu berücksichtigen.
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Geoffrey Roberts. Stalin's Wars: From World War to Cold War, 1939-1953. New Haven: Yale University Press, 2006. xxii + 468 pp. Illustrations, maps, notes, chronology. $35.00 (cloth), ISBN 978-0-300-11204-7.
Reviewed by: Jonathan M. House, Department of Military History, U.S. Army Command and General Staff College.
Published by: H-War (June, 2008)
The Generalissimo
The Soviet Union performed the lion's share of the efforts that defeated Nazi Germany in World War II. Arguably, therefore, the single person most responsible for the Allied victory was Joseph Vissarionovich Stalin, the Soviet dictator. For decades, however, Cold War politics--and then revisionism--caused historians to emphasize Stalin's ruthlessness and paranoia while downplaying his contribution to the war effort. Just as most Germans blamed Adolf Hitler for all their defeats, so Soviet leaders from Nikita Khrushchev onward tended to depict Stalin as a bungling butcher who was saved by the undoubted self-sacrifice of the Soviet peoples.
Geoffrey Roberts, a history professor in Cork, Ireland, has undertaken a systematic review of the dictator's role in both World War II and the ensuing Cold War. In an unusual form of revisionism, Roberts concludes that the contemporaneous view of Stalin as a great war leader was largely justified. Without minimizing Stalin's mistakes or his paranoia, the author maintains that the dictator was a key factor in the Soviet victory: "Without him the efforts of the [Communist] party, the people, the armed forces and their generals would have been considerably less effective" (p. 373).
To demonstrate his contention, Roberts uses the growing, if still limited, access to Soviet archives that historians have been exploiting for over one decade. For example, analysts of Stalin's official appointments calendar have indicated that he was involved in a series of critical meetings and decisions immediately after the 1941 German invasion, at a time when (according to Khrushchev) the dictator was in shocked depression as a result of the attack. The author uses a similar source to argue that G. K. Zhukov, the deputy commander in chief, had exaggerated his own role in convincing Stalin of the 1942 counterattack plan that eventually destroyed the German Sixth Army at Stalingrad. Employing similar documentation, Roberts ably summarizes the major decisions of World War II without either exaggerating or downplaying the Soviet leader's role in those decisions. This account repeatedly endorses the conclusions of David Glantz and others that Stalin learned to trust the professionalism of his generals, resulting in a fundamental change in his leadership style.
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Zubok, Vladislav: A Failed Empire. The Soviet Union in the Cold War from Stalin to Gorbachev (= The New Cold War History). Chapel Hill: University of North Carolina Press 2007. ISBN 978-0-807-83098-7; geb.;488 S.; EUR 30,99.
Fursenko, Aleksandr; Naftali, Timothy: Khrushchev's Cold War. The Inside Story of an American Adversary. New York: W.W. Norton & Company 2006. ISBN 0-393-05809-3; geb.; 670 S.; EUR 36,69.
Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Jost Dülffer, Historisches Seminar, Universität zu Köln
E-Mail: [mailto]duelffer@uni-koeln.de[/mailto]
Lange Zeit war die Geschichte des Ost-West-Konflikts, der in den USA wie bei uns oft nur als "Cold War" bezeichnet wird, so etwas wie "one hand-clapping" (Gaddis Smith). Die Paradigmen der Deutung wechselten, aber zumeist beruhte dies nur auf einer immer besser werdenden Quellenlage für die westlichen Staaten. Seit den 1990er-Jahren sind in einem gelegentlich rückläufigen Prozess viele Quellen aus dem ehemaligen Ostblock zugänglich geworden und im Cold War International History Project als Bulletins publiziert und innerhalb von Working Papers interpretiert worden.[1]
Nun folgen größere Studien, von denen die beiden hier vorzustellenden zentrale Bedeutung haben. Schon die Autoren signalisieren Kennerschaft: Vladislav Zubok kommt aus Russland, forscht seit den frühen 1990er-Jahren in den USA und publizierte mit Constantine Pleshakov ein erstes Standardwerk zur sowjetischen Außenpolitik unter Stalin.[2] Nunmehr legt er die erste archivgestützte Gesamtdarstellung sowjetischer Außenpolitik der Zeit vor. Dabei hat er gegenüber den 1990er-Jahren nochmals wesentlich erweiterte Archivstudien in Russland treiben können.
Der Zugang reicht allerdings nicht so weit, wie der des zweiten hier vorzustellenden Buches. Alexandr Fursenko waren als erstem Forscher Teile des Präsidentenarchivs zugänglich und hier vor allem die Aufzeichnungen über Präsidiumssitzungen des Obersten Sowjets, von denen er auch schon Teile auf russisch publiziert hat. Dies hängt vermutlich damit zusammen, dass er in Russland lebt und im Präsidium der Russischen Akademie der Wissenschaften sitzt. Sein Mitautor dagegen hat von der University of Virginia aus sowjetisches wie US-amerikanisches Material erschlossen und ist seit kürzerem Gründungsdirektor der Richard Nixon Presidential Library. Auch diese Autoren haben gemeinsam eine Vorgängerstudie verfasst, die sie jetzt breiter einbetten: Nach der Kubakrise[3] wurde nun die ganze Ära Chruschtschow 1955-1964 erschlossen - und diese (anders als Zubok) in einen laufenden Perspektivwechsel gestellt, der auch die amerikanische Seite immer wieder einbezieht.
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Uhl, Matthias: Krieg um Berlin? Die sowjetische Militär- und Sicherheitspolitik in der zweiten Berlin-Krise 1958 bis 1962 (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte 73). München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag 2008. ISBN 978-3-486-58542-1; Gebunden; 295 S.; EUR 39,80.
Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Gerhard Wettig, Kommen
E-Mail: [mailto]wettigg@web.de[/mailto]
Die Schließung der Sektorengrenze in Berlin am 13. August 1961 gilt in der Öffentlichkeit vielfach als der Höhe- und Wendepunkt der zweiten Berlin-Krise. Weil die Massenflucht, mithin die Destabilisierung der DDR, gestoppt worden sei, habe Chruschtschow keinen Grund mehr gesehen, die Forderung nach einem Friedensvertrag zwecks Beseitigung der westlichen Präsenz und Einbeziehung der Westsektoren in seinen Machtbereich zu forcieren. Das glaubte auch sein Hauptwidersacher Kennedy und war daher eher erleichtert als besorgt. In Wirklichkeit jedoch waren, wie Matthias Uhl anhand der von ihm in großem Umfang erschlossenen sowjetischen Geheimdokumente über das militärische Vorgehen nachweist, die Sperrmaßnahmen nur als erster Schritt gedacht, der wegen akuter Gefährdung des SED-Regimes vorgezogen werden musste.
Der Kremlchef war nach wie vor entschlossen, den Westmächten ihre Rechte in Berlin durch den separaten Abschluss des Friedensvertrages mit der DDR zu nehmen, falls nicht sie zur freiwilligen Räumung ihrer Position bereit sein würden. Wenn notwendig, wollte er auch einen Nuklearkrieg nicht scheuen. Die Welt stand, ohne dass sie dessen gewahr wurde, am Rand des Abgrunds.
Dass Chruschtschow von seinem Entschluss abrückte, war auf Einsichten aus dem Verlauf des Manövers "Burja" zurückzuführen, das er veranstalten ließ, um den Westen zu beeindrucken und den gegebenenfalls zu führenden Kernwaffenkrieg zu proben. Dabei stellten sich neben unerwarteten Mängeln der Koordination und sonstiger Art, die nicht in kurzer Zeit zu beheben waren, Vernichtungswirkungen heraus, mit denen man im Kreml nicht gerechnet hatte. Diese machten nicht nur den vorgesehenen raschen Vorstoß bis zum Atlantik höchst zweifelhaft, sondern erstreckten auch die flächendeckende Zerstörung auf die UdSSR in einem Umfang, der blankes Entsetzen hervorrief. Angesichts dieser Perspektive schreckte Chruschtschow, den die Auslandsaufklärung schon im Sommer gewarnt hatte, dass die USA vor der Drohung mit einem Krieg nicht zurückweichen würden, von seinem Vorhaben zurück. Erst im Herbst 1961 fiel daher die Entscheidung, sich mit den - sich zur Mauer entwickelnden - Sperranlagen an der Sektorengrenze zufrieden zu geben.
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Fein, Elke: Rußlands langsamer Abschied von der Vergangenheit. Der KPdSU-Prozeß vor dem russischen Verfassungsgericht (1992) als geschichtspolitische Weichenstellung. Ein diskursanalytischer Beitrag zur politischen Soziologie der Transformation (= Spektrum Politikwissenschaft 38). Würzburg: Ergon Verlag 2007. ISBN 978-3-89913-561-9; brosch.; XX, 695 S.; EUR 78,00.
Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Petra Stykow, Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaft, München
E-Mail: [mailto]petra.stykow@lrz.uni-muenchen.de[/mailto]
Verfassungsgerichte können politische Prozesse nachhaltig beeinflussen.
Einen in dieser Hinsicht besonders folgenschweren Fall analysiert Elke Fein in ihrer Dissertationsschrift: Das Ende 1991 geschaffene Verfassungsgericht der jungen Russischen Republik verhandelte zwischen Mai und November 1992 die Frage, ob die Kommunistische Partei der Sowjetunion und die Kommunistische Partei Russlands verfassungsmäßige Organisationen waren und ob Präsident Jelzin das Recht hatte, sie im Herbst 1991 zu verbieten. Es kam zu der Entscheidung, die KPdSU sei keine Partei gewesen, sondern ein "staatlicher Mechanismus". Weil ihre Führungsorgane auch nach dem März 1990 (als Artikel 6 der sowjetischen Verfassung über ihre "führende Rolle" gestrichen wurde) in diesem Sinne agierten, sei Jelzins Verbot der zentralen Parteiorgane rechtmäßig gewesen. Es erstrecke sich aber nicht auf die Basisorganisationen der Partei, die auch berechtigt seien, neue nationale Führungsstrukturen zu bilden. Für seine frühere KPdSU-Mitgliedschaft dürfe niemand diskriminiert werden. Die Frage nach einer generellen Verfassungswidrigkeit der KPdSU beantwortete das Verfassungsgericht nicht. Es begründete dies damit, dass die Führungsstrukturen der Partei nicht mehr existierten.
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Dale R. Herspring. The Kremlin and the High Command: Presidential Impact on the Russian Military from Gorbachev to Putin. Lawrence: University Press of Kansas, 2006. xix + 242 pp. Notes, index. $34.95 (cloth), ISBN 978-0-7006-1467-7.
Reviewed for H-War by Donald Wayne Wayson, Department of History, University of Texas at Arlington
The Red Army in Transition
The year 1991 marked the end of a Communist Soviet Union and the vaunted Red Army. What happened to this army, once regarded as one of the most powerful military forces on earth? In _The Kremlin and the High Command_, Dale R. Herspring, a political science professor at Kansas State University, seeks to answer that question as he explores the army's demise beginning with the rule of Mikhail Gorbachev through the presidencies of Boris Yeltsin and Vladimir Putin. This study is the first volume to cover the Russian military, and its failures, under their leadership. In this well-written and quite readable book, Herspring breaks new ground and provides a useful tool for anyone interested in the current state of the Russian military.
In seven chapters, Herspring presents handy introductions and great summaries of each leader, including a description of their respective leadership style, as it pertains to the military. Herspring also brilliantly details the main events in Russian military history. For example, he discusses the problems that Yeltsin faced in Chechnya and the manner in which he backed out of responsibility for the debacle. He shows that generals received the blame for the failure in Chechnya since Yeltsin did nothing to deflect criticism from them. As Herspring writes, "Instead of praising the military for its sacrifices in fighting the war in Chechnya, Yeltsin criticized it sharply" (p. 104). Herspring is also quite critical of how both Yeltsin and Gorbachev handled the transition from a Communist state to the current "democratic" state of Russia.
Since a transition of this magnitude had never been attempted, Gorbachev faced the greatest difficulties. Due to a struggling economy, the Soviet military and its budget had to be cut; and it was Gorbachev's job to inform the military of these cuts. Not surprisingly, this task was not easy and the military obviously did not take well to these changes. This was an organization that had been fully funded under Soviet rule and was inexperienced in seeking additional funds or facing the prospect of cuts.