Debatten um Restitution

Review article by C. Goschler (in German)

Diner, Dan; Wunberg, Gotthart (Hrsg.): Restitution and Memory. Material Restoration in Europe. Oxford: Berghahn Books 2007. ISBN 978-1-84545-220-9; 418 S.; $ 75.00.

Schoeps, Julius H.; Ludewig, Anna-Dorothea (Hrsg.): Eine Debatte ohne Ende? Raubkunst und Restitution im deutschsprachigen Raum. Berlin: Verlag für Berlin-Brandenburg 2007. ISBN 978-3-86650-641-1; 327 S.; EUR 19,80.

Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Constantin Goschler, Fakultät für Geschichtswissenschaft, Ruhr-Universität Bochum
E-Mail: [mailto]constantin.goschler@rub.de[/mailto]

Ein Hauptelement des in den 1990er-Jahren aufgekommenen Booms der Zivilgesellschaft und der Menschenrechte waren die vielfältigen Forderungen nach Restitution von solchem Eigentum, das zuvor infolge kollektiver Gewalt geraubt und entzogen worden war. Ausgehend von der mit der Privatisierungswelle verbundenen Eigentumsrevolution in den ehemaligen Ostblock-Staaten erlangte auch in westlichen Ländern die Rückerstattungsdebatte neue Aktualität. Während sich der Westen aber - wie bereits nach 1945 - vor allem mit den Folgen des nationalsozialistischen Raubzugs befassen musste, waren die ehemaligen Ostblock-Staaten überdies auch mit den Folgen der sozialistischen Eigentumspolitik konfrontiert. Eigentumsfragen waren und sind daher in vielerlei Weise mit konkurrierenden Vergangenheitskonstruktionen verbunden, bei denen sich intergenerationelle und transnationale Ansprüche in komplizierter Weise überlagern. Die Restitutionsfrage öffnet so vielerlei Fenster in die bewegte Geschichte Europas im 20. Jahrhundert.

Einen begrifflich geschärften Blick auf diese Geschichte werfen Dan Diner und Gotthard Wunberg in einem gehaltvollen und anregenden Konferenzband zum Thema "Restitution and Memory. Material Restoration in Europe". Die insgesamt 17 Beiträge von Soziologen, Anthropologen, Historikern, Juristen und Literaturwissenschaftlern werden mit einem gewissen Sinn für Dramatik in fünf Akte eingeteilt: "The Setting", "Anthropologizing Restitution", "Commissions of Inquiry and the Practice of Restitution", "Tesselated European Histories of Memory" sowie schließlich "Resolutions".

In seinem eröffnenden Beitrag argumentiert Diner, dass der Kalte Krieg die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg stillgelegt habe. Mit dessen Ende sei es jedoch zu einer epistemischen Metamorphose der leitenden historischen Narrative gekommen: An die Stelle von "Gesellschaft" sei nun "Erinnerung" getreten und verbunden damit das zunehmende Gefühl, dass der Zweite Weltkrieg noch nicht vorbei sei. Als zentrale Folge der wiedererstarkenden Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg betrachtet er vor allem die Restitution von Eigentum, welche als transgenerationeller Speicher von Erinnerungen funktioniere. Die Verbindung von Eigentum und Erinnerung ist für Diner damit im Kern anthropologischer Natur.

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