Russian History

Four book reviews, in German and English

Gorsuch, Anne E.; Koenker, Diane P. (Hrsg.): Turizm. The Russian and East European Tourist under Capitalism and Socialism. Ithaca: Cornell University Press 2006. ISBN 978-0-8014-7328-9; brosch.; 328 S.; EUR 19,99.

Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:Katharina Kucher, Institut für Osteuropäische Geschichte und Landeskunde, Universität TübingenE-Mail: [mailto]katharina.kucher@gmx.de[/mailto]

Die Geschichte des Tourismus ist facettenreich und unterscheidet sich je nach Land und ideologischem Kontext. Sie kann zeigen, inwiefern "Tourismus und Urlaube konstituierend für Klasse, sozialen Status und kollektive Identitäten" waren (S. 2). Während das Reisen in der westlichen Welt längst ein Thema der historischen Forschung darstellt, richtet sich der analytische Blick erst seit 1989 in Richtung Osteuropa und auch Russland bzw. der Sowjetunion.[1] Der von Anne Gorsuch und Diane Koenker herausgegebene Sammelband kann somit zu den Pionierarbeiten gezählt werden. Die Einleitung bietet neben der Einbettung des Themas in den internationalen Forschungskontext eine thematische Verortung der verschiedenen Aspekte des Tourismus in Osteuropa. Die Formulierung der übergeordneten Fragen und die Zuordnung der einzelnen Themen erweist sich allerdings als dem Sammelband nur bedingt angemessen. Als einziges Ordnungskriterium im Inhaltsverzeichnis verbleiben letztlich die Kategorien "Reisen im kapitalistischen Russland und Osteuropa" (fünf Texte) und "Sozialistischer Tourismus" (neun Texte).

Die einzelnen Artikel kreisen im Wesentlichen um folgende Themen: Als erstes ist der Anteil des Tourismus an der "Konstruktion von Staaten und Nationen", dem "nation building" zu nennen (S. 8). Viele der Beiträge verweisen auf die Rolle "des Reisens bei der Formierung der Beziehungen von Macht und Privilegien zwischen den Völkern des imperialen Russland, des östlichen Europa und der Sowjetunion" (ebd.). Der Tourismus fungierte als "inoffizieller Imperialismus" und konnte - wie insbesondere das russische/sowjetische Beispiel zeigt - die Vereinnahmung der Peripherie, ihre imperiale Integration sowie ihre Modernisierung vorantreiben (ebd.). Weitergehend führte das Reisen aber nicht zwangsläufig - wie von offizieller Seite beabsichtigt - zu einer stärkeren Identifikation mit der eigenen Heimat, sondern konnte durchaus auch eine Entfremdung zur Folge haben.

Die Formierung und Charakteristika des sozialistischen Tourismus >>


Shlapentokh, Dmitry (Hrsg.): Russia between East and West. Scholarly Debates on Eurasianism (= International Studies in Sociology and Social Anthropology 102). Leiden: Brill Academic Publishers 2007. ISBN 978-90-04-15415-5; brosch.; 198 S.; EUR 83,00.

Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Martin Beißwenger, Department of History, University of Notre DameE-Mail: [mailto]Martin.Beisswenger.1@nd.edu[/mailto]

Die sogenannte Eurasische Bewegung zog in jüngster Zeit wieder die Aufmerksamkeit von Beobachtern sowohl in Russland als auch im Ausland auf sich. Entwickelt von russischen Emigranten Anfang der 1920er-Jahre, dominierte die eurasische Ideologie bereits damals die publizistischen Debatten in der russischen Emigration. Kein Wunder, behaupteten die Eurasier doch selbstbewusst, nicht nur die russische Revolution erklären, sondern auch die ewige Frage nach der Zugehörigkeit Russlands zu Europa endgültig verneinend beantworten zu können. Nach ihrer Ansicht war Russland geschichtlich, kulturell, geographisch, ethnographisch, linguistisch und religiös weder ein Teil Europas noch ein Teil Asiens, sondern gleichsam ein dritter, dazwischen liegender "Kontinent" - eben "Eurasien". Seit dem Untergang der Sowjetunion haben eurasische Ideen vor allem im gegenwärtigen Russland eine verstärkte Rezeption erfahren und jüngst gar zur Bildung der rechtsextremen "Eurasischen Partei" Alexander Dugins beigetragen.[1]

Diese neuerliche Popularität eurasischer Ideen hat in den letzten Jahren eine große Anzahl wissenschaftlicher Untersuchungen sowohl der klassischen Eurasischen Bewegung der Zwischenkriegszeit als auch ihrer gegenwärtigen Epigonen inspiriert. Es ist insofern an der Zeit, die Ergebnisse dieser Studien in einem Sammelband gebündelt einem breiteren Publikum zugänglich zu machen, eine Zwischenbilanz bisheriger Forschungen zu ziehen und die verschiedenen Erscheinungsformen eurasischer Ideen miteinander zu vergleichen. Der hier zu besprechende Sammelband weckt dementsprechend große Erwartungen und dies umso mehr, als einige der Autoren ausgewiesene Spezialisten auf dem Gebiete der Eurasischen Bewegung und ihrer Ideen sind.[2]

Leider kann der vorliegende Band >>


Igor Zhdarkin. We Did Not See It Even in Afghanistan. Moscow Memories Mockba, 2008. Translated by Tamara Reilly. 399 pp.

Reviewed by Elaine Windrich
Published on H-SAfrica (November, 2008)
Commissioned by Peter C. Limb

A Russian View of the Angolan War
This book is to be welcomed as an alternative to the usual accounts of the Angolan War by South African participants and their apologists. For here is a Russian version, by a military officer, Igor Zhdarkin, who served as an advisor/translator to the Angolan armed forces known as FAPLA (Forças Armadas Populares de Libertação de Angola), the military wing of the ruling Popular Movement for the Liberation of Angola (MPLA). His account is published as part of a collection of memoirs in the series Oral History of Forgotten Wars by the Africa Institute of the Russian Academy of Sciences in Moscow. Unfortunately, in the introduction, Gennady Shubin, senior research fellow at the institute, does not indicate what other "forgotten wars" are to be included in the series or why they have been so labeled.

The English section of Zhdarkin's recollections (consisting of the final 150 pages of the 400-page book, the first part of which comprises the Russian version) consists of two major parts: a diary kept by Zhdarkin from October 10 to December 3, 1987, as military interpreter of the 2lst FAPLA brigade, and the author's "oral narratives," or tape-recorded memories, produced at the Africa institute since 2000-01. Unfortunately, the "Notebook-Diary" in part 1 is a great disappointment because the author's daily "recollections" come to an abrupt end in December 1987, before the crucial battles for Cuito Cuanavale had even begun. As his final entry (dated December 3) reads, "our brigade is in its positions in the forest. We are awaiting a possible enemy attack and we have no idea of what will happen next" (p. 302). Nor does the reader know what happened next, since Zhdarkin disappears from the scene of battle, only to return to Cuito Cuanavale after the South African Defence Force's (SADF) initial assaults on the "Tempo Triangle" have been rebuffed in 1988. None of these decisive battles, which are recorded in great detail in the South African accounts of the war (irrespective of their triumphant distortions), are mentioned by Zhdarkin. Only in a later commentary does he explain that he returned to Cuito Cuanavale on March 11, 1988 (after more than two months at the FAPLA base at Lobito), adding only that, "I cannot say why I returned. But I was summoned there" (p. 368). Then, from the final reading in the diary, the book leaps into the "author commentaries" recorded in Moscow from 2000, separated only by a song written by Zhdarkin in Cuito Cuanavale in December 1987.

Even with this abrupt ending of the diary >>


Katalog: Blank, Margot (Hrsg.): Russischer Soldatenalltag in Deutschland 1990-1994. Bilder des Militärfotografen Wladimir Borissow. Bönen: DruckVerlag Kettler 2008. ISBN 978-3-941100-41-1; 112 S., 110 Abb.; EUR 28,00 (Museumsausg.), EUR 12,00 (Buchhandelsausg.).

Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Elena Stepanova, Historisches Institut, Friedrich-Schiller-Universität Jena
E-Mail: [mailto]elena_st@yahoo.com[/mailto]

Wie viele Sowjetbürger es waren, die im Laufe von fast 50 Jahren ihren Militärdienst bei der "Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland" leisteten, weiß bis heute niemand genau. Der Historiker Jan Foitzik geht von mehr als zehn Millionen Menschen aus, die zwischen 1945 und 1994 jeweils zwei bis drei Jahre in der DDR verbrachten (Ausstellungskatalog, S. 15). Bestätigte Zahlen gibt es erst für das Jahr 1991: Knapp 340.000 Militärangehörige sowie 210.000 Zivilangestellte und Familienangehörige, darunter 90.000 Kinder, verteilten sich damals auf 777 Kasernenanlagen in der gesamten DDR.[1] Es war ein gewaltiger Archipel isolierter Sowjet-Inseln, deren Bewohner meist so wenig vom Leben in der DDR wussten, wie der einfache DDR-Bürger Einblick in den Alltag der Kasernen hatte.

Über das Leben der sowjetischen Truppen in ihren Kasernen ist immer noch wenig bekannt. Auch die historische Forschung kann bisher nur zum Teil Auskunft darüber geben.[2] Die Fotoausstellung "Russischer Soldatenalltag in Deutschland 1990-1994" im Deutsch-Russischen Museum Berlin-Karlshorst ist insofern ein wichtiger Versuch, sich der russischen Armee auf deutschem Boden zu nähern - und zwar der Endphase dieser Truppenpräsenz. Es handelt sich um eine einzigartige Fotosammlung des Militärfotografen Wladimir Borissow, der 1990 bis 1994 im Auftrag des Oberkommandos der "Westgruppe der Truppen" (WGT) den Alltag der auf dem Boden der ehemaligen DDR stationierten russischen Truppen dokumentierte. Über die Person des Fotografen ist nichts Näheres bekannt; nichts weiß man auch über die Hintergründe seiner Auftragsarbeit: Zu welchem Zweck fotografierte er in der WGT? Für den internen Gebrauch? Für die sowjetische bzw. russische Presse? Nach Beendigung seiner Arbeit verkaufte Borissow sein Archiv an das Medienpädagogische Zentrum Potsdam. Später überließ das Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg dem Museum in Karlshorst den Gesamtbestand, der über 20.000 Negative umfasst.

Borissow dokumentiert den Soldatenalltag aus der Perspektive >>