DDR

Six reviews (in German and English)

Richter, Sebastian: Norm und Eigensinn. Die Selbstlegitimation politischen Protests in der DDR 1985-1989 (= Zeitgeschichten 4). Berlin: Metropol Verlag 2007. ISBN 978-3-938690-62-8; 223 S.; EUR 18,00.

Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Thomas Klein, Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam
E-Mail: [mailto]klein@zzf-pdm.de[/mailto]

Sebastian Richter sieht in der damaligen Selbstermächtigung der Staatspartei SED zur Monopolinstanz in Fragen der Scheidung "legitimer" oder "illegitimer" (und dann auch illegaler) Teilhabe an der politischen Gestaltung der DDR-Gesellschaft den Anlass, nach der Selbstlegitimation "Andersdenkender" zu fragen: Denn in dieser Diktatur "musste jede Form des gesellschaftlichen Protests die Frage nach seiner Berechtigung, seiner eigenen Legitimation zumindest implizit mitbedenken" (S. 7). Mit Blick auf retrospektive zeithistorische Bewertungen politischer Gegnerschaft in der DDR, die heute gesamtdeutsche Deutungshoheit erlangt haben, verweist Richter auf einige Unstetigkeitsstellen solcher zeitgenössischer Zuschreibungen. Zunächst erinnert er daran, dass das "jähe Ende der DDR" im Nachhinein (fast) alles zu legitimieren schien, was dort ehedem die Form politischer Gegnerschaft annahm, womit aber noch gar nichts über "die Perspektive der historischen Akteure" ausgesagt ist (S. 7).

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Muhle, Susanne; Richter, Hedwig; Schütterle, Juliane (Hrsg.): Die DDR im Blick. Ein zeithistorisches Lesebuch. Berlin: Metropol Verlag 2008. ISBN 978-3-940938-04-6; 327 S.; EUR 19,00.

Rezensiert für H-Soz-u-Kult
Beatrix Bouvier, Studienzentrum Karl-Marx-Haus Trier, Friedrich-Ebert-Stiftung
E-Mail: [mailto]beatrix.bouvier@fes.de[/mailto]

Anders als der Untertitel "Lesebuch" suggerieren mag, handelt es sich nicht um eine "pädagogisch wertvolle" Zusammenstellung von Texten, wie sie aus der Schule erinnerlich sind. Auch wenn der Band nicht ohne pädagogische Absichten ist, gehört sein Anliegen doch in den Aufgabenbereich der "Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur", der Auftraggeberin des Bandes. Dass der Band zum 10. Jubiläum der Stiftung Aufarbeitung erschien, soll nicht unerwähnt bleiben. Er ist das Ergebnis ihrer Nachwuchsförderung und wird der Öffentlichkeit in höchst lesbarer Form präsentiert. 28 Stipendiatinnen und Stipendiaten der Stiftung Aufarbeitung präsentieren ihre zu "Geschichten" verdichteten Forschungsergebnisse über sehr unterschiedliche Aspekte der DDR-Geschichte, die durchaus skurril wirken können. Und es ist wohl diese Skurrilität, die medial aufgegriffen wird.[1] Das ist verständlich, zumal die Texte durch ein hervorragendes Lektorat der Falle einer manchmal ungenießbaren Wissenschaftssprache entkommen sind.
Eine solche Leistung kann nicht hoch genug bewertet werden, und sie ist es auch, die den Band zum "Lesebuch" macht. Unter anderen Umständen würde man die Geschichten als Abstracts von Dissertationen oder Forschungsprojekten allenfalls zur Kenntnis nehmen. Gerade die Lesbarkeit erreicht ihr Ziel, nämlich den Wunsch zum Weiterlesen, in vielen Fällen jedenfalls. Damit ist nichts über eine unterschiedliche Qualität der Arbeiten insgesamt gesagt, nur etwas über Interessen.

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Helmberger, Peter: Blauhemd und Kugelkreuz. Konflikte zwischen der SED und den christlichen Kirchen um die Jugendlichen in der SBZ/DDR (= Forum Deutsche Geschichte). München: Martin Meidenbauer Verlag 2008. ISBN 978-3-89975-658-6; 346 S.; EUR 49,90.

Rezensiert für H-Soz-u-Kult
Gerhard Besier, Zeitgeschichte, Lehrstuhl für Europastudien an der TU Dresden
E-Mail: [mailto]gbesier@aol.com[/mailto]

Der "Wettlauf um die Jugend" war nicht erst seit Mitte des 20. Jahrhunderts eine zentrale Frage von Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften. Vielmehr gehörte für die traditionellen Kirchen die religiöse Sozialisation in der Schule zu jenen Bedingungen, um die sie - gegen die Trennung von Staat und Kirche - mit nahezu allen Mitteln kämpften. Im Kaiserreich musste Bismarck sich im Konflikt mit der katholischen Kirche geschlagen geben. 1918/19 verloren Linksliberale und Sozialisten die Auseinandersetzung um den schulischen Religionsunterricht. In der SBZ/DDR hatten sich die Kräfteverhältnisse dagegen grundlegend geändert. Was in der Weimarer Republik gescheitert war, nämlich der Aufbau einer konfessionslosen sozialistischen Jugendkultur, das wollte die SED nun verwirklichen.

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Müller, Horst; Süß, Manfred; Vogel, Horst (Hrsg.): Die Industriespionage der DDR. Die wissenschaftlich-technische Aufklärung der HVA (= Geschichte der HV A, Bd. 2). Berlin: edition ost 2008. ISBN 978-3-360-01099-5; 256 S.; EUR 14,90.

Rezensiert für H-Soz-u-Kult
Jörg Roesler, Leibniz-Sozietät Berlin
E-Mail: [mailto]JoergRoesler@t-online.de[/mailto]

Im Zentrum des Kalten Krieges stand die Konfrontation der Waffensysteme, die, falls er "heiß" werden sollte, hätten zum Einsatz kommen können. Im Zentrum der Spionage stand die Militärspionage. Industriespionage war zunächst vor allem auf das Auskundschaften der Waffensysteme der anderen Seite gerichtet. Das galt selbstverständlich auch für die DDR. Mit der Gründung des Außenpolitischen Nachrichtendienstes der DDR im Jahre 1951 wurde für den Osten Deutschlands die Bildung einer wirtschaftlichen und wissenschaftlich-technischen Aufklärung beschlossen. Die Mitarbeiter der später "Sektor Wissenschaftlich-Technische Aufklärung" (SWT) genannten Abteilung hatten die Aufgabe, sich über bedrohliche Entwicklungen im Rüstungssektor Westdeutschlands zu informieren. Sie interessierten sich für Raketen-Waffen (als Träger möglicher atomarer Sprengköpfe), chemische Waffen und für biologische Waffen. Im Zentrum der Bemühungen der Spione des SWT stand die Kernforschung der Bundesrepublik. Es gelang bis Ende der 1960er-Jahre, Informanten in den Hauptzentren der westdeutschen Kernforschung zu etablieren. "Es gab kein nennenswertes Institut, keinen Energiekonzern und keine Forschungseinrichtung der Atomphysik in der BRD", schreibt der langjährige Leiter des Sektors Wissenschaft und Technik mit verhaltenem Stolz, "über die wir nicht relativ gut Bescheid wussten." (S. 21)

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Jochen Staadt, Tobias Voigt, Stefan Wolle. Operation Fernsehen: Die Stasi und die Medien in Ost und West. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2008. 447 S. (gebunden), ISBN 978-3-525-36741-4.

Reviewed by Henning Wrage
Published on H-Soz-u-Kult (April, 2009)

J. Staadt u.a.: Operation Fernsehen
Als nach der Wende im Mitteldeutschen Rundfunk 19 ehemalige "inoffizielle Mitarbeiter" der Staatssicherheit entdeckt wurden, gab die ARD eine umfassende Studie in Auftrag, die zwischen 2001 und 2004 als Kooperation der Historischen Kommission der ARD und des Forschungsverbunds SED-Staat an der Freien Universität Berlin realisiert worden ist. Entstanden ist eine mehr als tausend Seiten umfassende Studie über die "rundfunkbezogenen Aktivitäten des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR in der DDR sowie in der Bundesrepublik Deutschland", die der Öffentlichkeit bereits Mitte 2004 auf einer Pressekonferenz vorgestellt wurde. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in der Sache Kohl gegen die Stasiunterlagen-Behörde verhinderte dann die Publikation, bis mit der Novellierung des Stasi-Unterlagengesetzes eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Veröffentlichung geschaffen war. Eine Umarbeitung der Forschungsergebnisse wurde schließlich unter dem Titel "Operation Fernsehen" im November 2008 vorgestellt: Sie enthält Auszüge aus der Studie und benennt die Klarnamen der betroffenen inoffiziellen Mitarbeiter (IM). Darüber hinaus ist auch die Veröffentlichung der Gesamtuntersuchung geplant, bei der die Namen der Inoffiziellen Mitarbeiter jedoch geschwärzt werden sollen. Dass ausgerechnet in der ausführlicheren Variante des Forschungsberichts, die für die "Selbstreinigung" in den Anstalten von größerer Bedeutung zu sein scheint als das Digest, die Namen der IMs fehlen, ist offenbar der Vorsicht der ARD-Justiziare geschuldet. Zugleich verschiebt sich damit jedoch auch der Fokus: von den Akteuren zu den Strukturen, vom Ereignis zur Funktion.

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Babett Bauer. Kontrolle und Repression: Individuelle Erfahrungen in der DDR (1971-1989). Historische Studie und methodologischer Beitrag zur Oral History. Schriften des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 2006. 492 pp. ISBN 978-3-525-36907-4; EUR 56.90 (cloth), ISBN 978-3-525-36907-4.

Reviewed by Peter Barker (Department of German Studies, University of Reading)
Published on H-German (May, 2009)
Commissioned by Susan R. Boettcher

Individual Experiences of Repression in the GDR
In an attempt to create a typology of individual experience of state repression in the GDR, Babett Bauer presents a total of twenty-seven interviews with individuals from Karl-Marx-Stadt/Chemnitz. At the center of the study is the attempt to create a theoretical basis for oral history that brings together the subjective experiences of repression of individuals and sets them against the official accounts of those experiences as recounted in the documentation created by the state security apparatus. Any attempt to create categories of human behavior in a society such as the GDR is difficult because of the wide range of possible interactions between personal circumstances and differing reactions on the part of state structures, but the author has succeeded in creating a credible typology.

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