Soviet Men

Three book reviews (German text)

Getty, J. Arch; Naumov, Oleg V.: Yezhov. The Rise of Stalin's "Iron Fist". New Haven: Yale University Press 2008. ISBN 978-0-300-09205-9; geb.; 320 S.; EUR 34,99.

Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Claudia Weber, Hamburger Institut für Sozialforschung
E-Mail: [mailto]claudia.weber@his-online.de[/mailto]

Das Buch Yezhov. The Rise of Stalin's "Iron Fist" ist die zweite Biographie über Nikolai I. Jeschow, den berüchtigten Chef des sowjetischen NKWD, innerhalb von sieben Jahren.[1] Angesichts der immensen Lücken in der Forschung zu den Tätern des Stalinismus ist dieser Umstand bemerkenswert. Er verspricht, dass Leser sich nun ein Bild machen können über den Exekutor des Großen Terrors und das von ihm inszenierte Gewaltchaos. Dabei schwingt stets die Frage danach mit, wie das passieren konnte und wie aus Menschen, denen gern das Attribut 'normal' vorangestellt wird - wobei dies bei den Tätern des Stalinismus bemerkenswert seltener geschieht - Massenmörder werden.

Es ist eine eigentümliche Mischung aus wissenschaftlicher Neugier und der fast schon verzweifelt zu nennenden Suche nach einer Erklärung für das Grauen, die Historiker dazu bewegt, sich den Tätern zuzuwenden. Auch die Autoren der vorliegenden Biographie, der US-amerikanische Historiker J. Arch Getty und sein russischer Kollege Oleg V. Naumov, mittlerweile Leiter des Moskauer Archivs RGASPI [2], werden von diesen Fragen angetrieben. Was für eine Person konnte diese Dinge tun? Welches System produzierte einen Menschen wie Jeschow? J. Arch Getty und Oleg Naumov verzichten bewusst auf psychologische und psychohistorische Zugänge. Es geht ihnen nicht darum, die Persönlichkeit zu examinieren, sondern die Person Jeschow als Produkt der Zeit auf die politische und soziale Matrix zu beziehen, innerhalb derer sie funktionierte (S. xix). Die Autoren erklären Jeschows Karriere konsequent systemisch. Sie verbinden mit ihr die gesellschaftshistorische Analyse stalinistischer Bürokratie und Personalpolitik, bolschewistischer Weltdeutungen und die Frage nach persönlichen Entscheidungsräumen.

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Musial, Bogdan: Kampfplatz Deutschland. Stalins Kriegspläne gegen den Westen. Berlin: Propyläen Verlag 2008. ISBN 978-3-549-07335-3; geb.; 586 S.; EUR 29,90.

Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:Jörg Ganzenmüller, Historisches Kolleg MünchenE-Mail: [mailto]Joerg.Ganzenmueller@historischeskolleg.de[/mailto]

Seit 1918 plante die Sowjetunion einen Angriffskrieg im Westen. Lenin wollte "das antikommunistische Polen" beseitigen, Stalin bereitete seit 1929/30 einen "Vernichtungskrieg" gegen Deutschland vor. So lautet die Kernthese in Bogdan Musials neuem Buch "Kampfplatz Deutschland". Musial unternimmt damit nichts weniger als den Versuch, die sowjetische Geschichte der Jahre 1918 bis 1941 von Grund auf neu zu deuten.

Das Buch hat zwei Fixpunkte: den polnischen Angriff auf die Sowjetunion am 25. April 1920 und den deutschen Überfall am 22. Juni 1941. Wie jedoch lassen sich aus zwei Verteidigungskriegen die Angriffspläne der Sowjetunion ableiten?

Musial geht in beiden Fällen ganz ähnlich vor. Er deutet alle Maßnahmen zur Erhöhung der Verteidigungsbereitschaft des Landes als Vorbereitung eines Angriffskrieges. Die Aufrüstung der Sowjetunion ist in seiner Sicht ein klarer Beleg für deren Expansionslust. Die militärischen Planspiele des Generalstabes der Roten Armee beweisen deren konkrete Angriffsabsichten. Die Spionagetätigkeit des sowjetischen Geheimdienstes stellt ein eindeutiges Indiz für einen unmittelbar bevorstehenden Angriff dar. Wieder und wieder vollzieht Musial jenen bequemenZirkelschluss: Die Sowjetunion plante einen Angriffskrieg, weshalb sie die Rote Armee aufrüstete und das Land auf den Krieg vorbereitete, was wiederum belege, dass sie einen Angriffskrieg plante.

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Lilya Kaganovsky. How the Soviet Man Was Unmade: Cultural Fantasy and Male Subjectivity Under Stalin. Pittsburgh PA: University of Pittsburgh Press, 2008. 226 S. $60.00 (cloth), ISBN 978-0-8229-4321-1; $25.95 (paper), ISBN 978-0-8229-5993-9.

Reviewed by Alexandra Oberländer
Published on H-Soz-u-Kult (April, 2009)

L. Kaganovsky: How the Soviet Man Was Unmade
Der Stalinismus herrschte seinen Untertanen so einiges auf. Dass aber Männlichkeit als durchgesetztes und erstrebenwertes Ideal des Neuen Sowjetischen Menschen eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit, weil zutiefst widersprüchlich war, dies ist die Kernaussage dieser psychoanalytisch inspirierten Geschichte, die nahezu ausschließlich mit Film- und literarischen Quellen aus der frühen Sowjetunion arbeitet.

Männlichkeit im Stalinismus hatte laut Kaganovsky zwei Seiten. Der Abenteurer oder der mit Orden behängte Pilot, der vor Gesundheit und Kraft strotzte, repräsentierte einen Typus. Das Paradebeispiel eines solchen Helden im sozialistischen Realismus der 1930er-Jahre ist Pawka Kortschagin aus Nikolai Ostrowskis Roman 'Wie der Stahl gehärtet wurde'. Am Beispiel des Kriegshelden Kortschagin entwickelt Kaganovsky in ihrem ersten Kapitel den Grundwiderspruch der stalinistischen Männlichkeit, den sie dann in allen folgenden Kapiteln an immer neuen Beispielen vorführt. Das leuchtende Vorbild Kortschagin endet als verkrüppelter Invalide, als "lebende Mumie" (S. 40), und wandelt sich somit in den zweiten von Kaganovsky ausgemachten Typus. Die körperlichen Entbehrungen, die Kortschagin und andere Verkrüppelte während ihres Dienstes für die Sowjetunion durchmachen, sind der Preis, um den Status des sowjetischen Helden zu erlangen. Nahezu jede Verkrüppelung komme einer Ent-Männlichung – oder wie Kaganovsky immer wieder betont: der Kastration des Mannes – gleich und bilde ein grundlegendes Element des Stalinismus. Der ideale Mann sei stark auch ohne Gliedmaßen; der sowjetischen Sache ergeben, aber unfähig, ob seiner Verkrüppelung, entsprechend zu agieren.

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