Kleßmann, Christoph: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945. Deutsche Demokratische Republik 1961-1971. Politische Stabilisierung und wirtschaftliche Mobilisierung. Baden-Baden: Nomos Verlag 2006. ISBN 3-7890-7329-6; 900 S.; EUR 149,00.
Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Jeannette Madarasz, University College London (UCL)
E-Mail: [mailto]jzm1989@gmx.net[/mailto]
Das zu besprechende Buch ist der neunte Band der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales und dem Bundesarchiv gemeinsam herausgegebenen und auf einem umfassenden Anspruch beruhenden elfbändigen "Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945". Damit liegt der zweite von drei geplanten Bänden zur Deutschen Demokratischen Republik (DDR) vor.[1] Der dritte Band (Band 10 in der Reihe) soll noch im Jahr 2008 erscheinen.
Der vorliegende Band befasst sich mit der Zeitspanne von 1961 bis 1971, der Dekade nach dem Bau der Berliner Mauer. Die DDR durchlief in dieser Periode eine wellenförmige Entwicklung von Krise über Stabilisierung hin zu einer erneuten Krise (Kleßmann, S. 3), die mit dem Machtwechsel von Walter Ulbricht zu Erich Honecker in eine neue Phase überging.Strukturierend wirkten in diesen zehn Jahren der Mauerbau, die Wirtschaftsreformen, Entwicklungen in der Frauen-, Jugend- und Kulturpolitik sowie die Militarisierung der Gesellschaft.
Der Herausgeber des Bandes, Christoph Kleßmann, wurde insbesondere von seinem langjährigen Kollegen am Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam (ZZF), Peter Hübner, unterstützt. Hübner verfasste in diesem Band unter anderem das zweite einführende Kapitel, in dem gesellschaftliche Strukturen und sozialpolitische Handlungsfelder abgesteckt werden. Die anderen Beiträge folgen thematisch grob dem Muster der Reihe und reichen von Arbeitsverfassung und Arbeitsrecht über Arbeitsschutz und Gesundheitswesen bis hin zu Renten-, Familien- und Bildungspolitik sowie internationaler Sozialpolitik. Dem DDR-System geschuldete Akzentsetzungen, zum Beispiel die Preisgestaltung, runden das hier präsentierte Bild sinnvoll ab. Sie folgen damit den in Band 8 eingeführten Diskussionsansätzen. Die einzelnen Beiträge stammen dabei keineswegs nur von Historikern, sondern unter anderem von einem Juristen, einer Germanistin, von Soziologen und Politologen. Diese begrüßenswerte Zusammensetzung entspricht durchaus auch der Zielgruppe dieser vom Nomos Verlag als Nachschlagewerk bezeichneten Reihe.
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Kleßmann, Christoph: Arbeiter im "Arbeiterstaat" DDR. Deutsche Traditionen, sowjetisches Modell, westdeutsches Magnetfeld (1945-1971) (= Geschichte der Arbeiter und der Arbeitsbewegung in Deutschland seit dem Ende des 18. Jahrhunderts 14). Bonn: Verlag J.H.W. Dietz Nachf. 2007. ISBN 978-3-8012-5034-8; 892 S.; EUR 68,00.
Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Ralph Jessen, Historisches Seminar
der Universität zu Köln
E-Mail: [mailto]r.jessen@uni-koeln.de[/mailto]
Von Christoph Kleßmann stammt der Vorschlag, die deutsch-deutsche Doppelstaatlichkeit zwischen 1949 und 1990 als "asymmetrisch verflochtene Parallelgeschichte" zu beschreiben. Nach Lektüre seiner exzellenten Studie über die "Arbeiter im "Arbeiterstaat" DDR" hat man den Eindruck, dass die Formulierung in abgewandelter Form auch in diesem Falle sticht: Auf gut 890 Seiten entfaltet Kleßmann das Panorama einer höchst asymmetrischen, aber dennoch eng verflochtenen Beziehungsgeschichte zwischen einer im Gehäuse des SED-Regimes "verstaatlichten Arbeiterbewegung" auf der einen und der ostdeutschen Arbeiterschaft auf der anderen Seite. Kaum ein anderer Aspekt der DDR-Geschichte dürfte so gut geeignet sein, das Verhältnis zwischen diktatorischer Herrschaft und Gesellschaft in der SED-Diktatur zu erschließen, wie dieses Beziehungsdrama.
Die Herrschaftslegitimation der SED war unlösbar mit der Behauptung verbunden, dass die DDR die große historische Alternative zur Ungleichheit, Ungerechtigkeit und Unterdrückung der kapitalistischen Klassengesellschaft verkörpere. Sie berief sich auf die Traditionen der deutschen Arbeiterbewegung - und was deren kommunistischen Zweig anging, nicht zu Unrecht. Aber trotz des enormen materiellen und symbolischen Aufwands, den der ostdeutsche "Arbeiterstaat" trieb, um dieser Behauptung das erforderliche Minimum an Überzeugungskraft zu sichern, konnte er bestenfalls auf die "missmutige Loyalität" seiner Titularklasse zählen. Dies war die fast unvermeidliche Konsequenz der beiden - neben der Arbeiterbewegungstradition - wichtigsten Kraftfelder, die diese Beziehung beeinflussten: Auf der einen Seite das aufgezwungene sowjetische Vorbild, dessen partielle Anpassung an die deutschen Verhältnisse weder seinen harten stalinistischen Kern aufweichte noch seine Popularität in der Arbeiterschaft erhöhte; auf der anderen Seite die für die meisten Arbeiter in der DDR ungleich attraktivere Parallelgeschichte der westdeutschen Nachkriegsmoderne.
Wie dieses Kräftedreieck aus "deutschen Traditionen, sowjetischem Modell und westdeutschem Magnetfeld" das Verhältnis zwischen Arbeitern und SED-Regime beeinflusste, ohne es zu determinieren, verfolgt Kleßmann in fünf chronologischen Schritten: Von der unmittelbaren Nachkriegszeit über den Aufbau des Sozialismus zwischen 1947 und 1953, den Aufstand vom 17. Juni 1953, gefolgt vom prekären Stabilisierungs- und Mobilisierungskurs unter den Bedingungen der offenen Grenze bis zu Ulbrichts gescheitertem Modernisierungsregime zwischen 1961 und 1971.Eine eingeschobene Fallstudie zur Geschichte von "Stalinstadt"/"Eisenhüttenstadt" und ein sehr dichtes und äußerst instruktives Abschlusskapitel zum "Arbeiterleben im "Arbeiter-und-Bauern-Staat" leisten exemplarische bzw. systematische Vertiefung.
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Zatlin, Jonathan R.: The Currency of Socialism: Money and Political Culture in East Germany. Cambridge: Cambridge University Press 2007. ISBN 978-0521869560; 377 Seiten; £ 45.-.
Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Andrew Evans, University of Sheffield Department of Germanic Studies E-Mail: [mailto]A.C.Evans@sheffield.ac.uk[/mailto]
The collapse of socialist planned economies in Europe is a well-known story of inefficiency, poor innovation and spiralling debt. In his intriguing book, Jonathan Zatlin delves into this history in an innovative way by examining the role of money. The Currency of Socialism explores how East German money came to reflect the increasing financial, ideological and moral bankruptcy of the SED regime. By restricting the function of money in the distribution of resources, the SED had hoped to overcome the alienation that characterised capitalist societies, and to centrally plan a path to communism. Instead, the East Germans soon became trapped as "second-class citizens in a capitalist world" (p. 3).
Chapter one locates the source of the GDR's economic problems in its confusion of money with the market. The ruling SED claimed economic authority through its supposed ability to distinguish between "real"needs and "false" needs. The party identified false needs with commodity fetishism and, in turn, with a capitalist order directed by money. In this sense, the Marxist-Leninist system followed a long socialist tradition of viewing money itself as a source of alienation and inequality, and the GDR's economic plans therefore restricted the function of money in directing production. However, in failing to develop an alternative system to market relations, and therefore to money as a medium of exchange, socialist states combined their antipathy toward money with a reliance on the same financial mechanisms employed by the capitalist order they had replaced. The capitalist laws of supply and demand were suspended, but not transcended: "Depriving money of its ability to direct the distribution of resources did not free production from the constraints of financial rationality." (p. 59)
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Heike Knortz. Innovationsmanagement in der DDR 1973/79-1989: Der sozialistische Manager zwischen ökonomische Herausforderungen und Systemblockaden. Schriften zur wirtschafts- und Sozialgeschichte. Berlin: Duncker and Humblot, 2004. Maps, charts, tables, notes, bibliography. . EUR 72. 00 (cloth), ISBN 978-3-428-11459-7.
Reviewed for H-German by Timothy C. Dowling, Department of History, Virginia Military Institute
An Imperfect Storm
Reading Heike Knortz's slim volume on innovation management in the German Democratic Republic (GDR) is like experiencing a hurricane. Early warning signs suggest that it could be a rough ride and indeed, much of the early going is a struggle to stay upright. In the center, however, in a calm, almost beautiful space, everything suddenly seems clear. Then a final, much weaker flurry darkens the skies again, leaving everything damp and confused.
The warning signs are that this is a work concerning the economic history of the GDR--a field fraught with ambiguity--and that it is Knortz's Habilitationsschrift. This combination makes the first seventy-five pages dense and difficult for anyone not expert in both economic theory and the history of the GDR. Knortz provides a brief grounding in theories of management and property rights that will be of little use to anyone not specialized in these topics. The language is virtually impenetrable, and the charts and tables Knortz supplies make little sense. Almost half of every page, moreover, is taken up with citations from sources ranging from Joseph Schumpeter to Vladimir Lenin, which the reader is asked to compare with what Knortz has written. While this may have been necessary for the academic degree, it adds little or nothing to the work as a whole.
Things pick up, however, when Knortz finally gets to her real subject.Interesting information on the effects of the 1973 oil crisis on the economy of the GDR leads naturally into the discussion of Petrochemicalkombinat Schwedt, where managers sought to alleviate the productivity problem through innovation. Though Knortz does not provide a great deal in the way of analysis, there is not much need for it; this is truly one case where "the facts speak for themselves." Knortz has done an excellent job of sifting through SED and Kombinat archives to present a clear picture of not only what happened "on the ground," but also of the rationale behind it. The story is easily recognizable in outline to anyone possessing even a passing familiarity with socialist planned economies: a perfectly good theory is applied wholesale to a real-life situation, and the results are less than perfect.
Knortz takes the reader through the irrational "rationalization" of the work force at PCK Schwedt systematically, in simple and direct language, with brilliant results. Even a non-economist can see how ideology affects decision-making, how plans conflict with human nature, and how these factors combine to send even the best-laid plans down blind alleys. Without invoking either sarcasm or pity, Knortz exposes the shortcomings of management at all levels of the enterprise through her selection of documents and facts. In this section, moreover, the charts, tables, and graphs Knortz provides do serve as visual aids, making clear any trends and results that might still be obfuscated in management jargon.
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Jennifer Schevardo. Vom Wert des Notwendigen: Preispolitik und Lebensstandard in der DDR der fünfziger Jahre. Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2006. 320 pp. Table of contents. EUR 62.00 (paper), ISBN 978-3-515-08860-2.
Reviewed for H-German by Eli Rubin, Department of History, Western Michigan University
When one wanders into the stacks in the Federal Archives and begins to look at the immense mountains of files pertaining to the economic planning bureaucracy--from the State Planning Commission to the Ministry of Light Industry--it becomes immediately clear what an overwhelmingly difficult task the SED faced in attempting to build an economy modern enough to rival the West in an entirely planned, directed fashion.Economic planning seemed to work in the case of Joseph Stalin's Soviet Union because it involved basic heavy industry, but in the case of a more developed consumer economy, the intricacies of planning every little product were incredibly vast and complicated. Balancing a checkbook is hard; keeping track of the finances of a small business is extremely hard; planning an entire modern economy is well-nigh impossible. Indeed, one of the most bitter ironies to come to light after 1989, in addition to the extent of ecological ruin and the reach of the Stasi, was that for a state that preached against the wastefulness of western capitalism, the GDR's internal finances were such a mess that it was practically impossible to tell how much money the country had, how much it owed, and so on.
Still, for forty years, the GDR attempted to accomplish this impossible task, and Jennifer Schevardo's book is perhaps the most complete and detailed study on planning a modern socialist economy to date, in its focus on the regime's regulation of prices to coordinate and influence the behavior of producers and consumers on a mass scale. At first glance, a study of prices in the 1950s in East Germany might sound like another installment of "dismal science"; however, the issue of prices was a point of intense ideological contention in the GDR. Studying it addresses the core of the very difficult contradictions faced by postwar socialist regimes struggling to implement utopian ideology into practical policy. As Schevardo notes, with all the interest recently in the advent of a consumer society under socialism in East Germany, very little has been done on how the prices of consumer goods were controlled--or not--and how such control influenced the connection between the regime and its people.
Schevardo begins her excellent, extremely well-documented, detailed study by pointing out that according to Karl Marx, prices were a byproduct of capitalism and would disappear in communism. Marx, Schevardo reminds us, never produced any detailed analysis of how this would happen. Faced with controlling a highly developed consumer economy--or at least a population with expectations of returning to a prewar level of consumption and standard of living--East German communists had to justify the continuing existence of prices as part of a "transition period" from capitalism to communism.
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Jan C. Behrends. Die erfundene Freundschaft: Propaganda für die Sowjetunion in Polen und in der DDR. Zeithistorische Studien herausgegeben vom Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam. Cologne: Böhlau, 2006. 438 pp. Illustrations, notes, bibliography, name index. EUR 49.90 (cloth), ISBN 978-3-412-23005-0.
Reviewed for H-German by Rósa Magnúsdóttir, University of Aarhus, Denmark
Soviet Friendship Propaganda in Poland and the GDR
Aside from the many studies on the GDR, not many monographs on communist regimes in individual eastern European countries have been published, but there is every reason to be optimistic. Research on these regimes has come far in the relatively short period since 1989. Greater access to archival sources in Russia and eastern Europe has enabled scholars to move beyond the ideological assumptions of the Cold War and to expand our understanding of the Soviet Bloc by means of cultural and sociolinguistic studies of communist discourse.
Jan Behrends's book is a welcome addition to the assorted works that examine postwar relationships between the Soviet Union and eastern Europe. Die erfundene Freundschaft is a "transnational propaganda history" (p. 11) that focuses on Soviet propaganda in Poland and the Soviet Occupation Zone/German Democratic Republic from 1944-56. It pays particular attention to the role of friendship societies in attempting to enforce loyalty to communist regimes in Poland and East Germany.
The book is a revised edition of Behrends's 2004 dissertation; although it cites several works published afterwards, the book still follows the traditional structure of a dissertation. The organization of the book is chronological and it uses a traditional comparative approach; the stories of Soviet-Polish and Soviet-East German friendship relations are told separately but similarities and differences between the two national contexts are highlighted in separate sections.
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Armin Müller. Institutionelle Brüche und personelle Brücken: Werkleiter in Volkseigenen Betrieben der DDR in der ?ra Ulbricht. Wirtschafts- und Sozialhistorische Studien. Cologne: Böhlau, 2006. x + 384 pp. Illustrations, notes, bibliography, index. EUR 44.90 (paper), ISBN 978-3-412-31005-9.
Reviewed for H-German by Thilo Schimmel, Department of History, University of Illinois at Urbana-Champaign
Company Cultures and the Fate of East German Companies
In a recent forum, the editors of H-German posed the question of the benefit of a new economic history for German historians. One central point that emerged in the discussion was the question of whether, or how, to integrate cultural history approaches. Armin Müller's study of the first two generations of company directors in East Germany offers a culturally informed examination of the transformation of the GDR economy. To account for its initial stability, the author eschews an analysis on the macroeconomic level that privileges a narrative of steady decline. Instead, he focuses on the varying fate of five individual companies on the local level. This narrow scope ultimately benefits the study of postwar company transformations, as it enables the author to incorporate a plethora of social actors that ultimately proved decisive in determining the companies' successes or failures. In the last analysis, Müller suggests that the effort to integrate East German companies into the planned economy constituted a battle over inherited company culture. Indeed, the author argues that the fate of companies in the politicized economy of East Germany hinged ultimately on whether the pre-1945 company culture could be preserved.
The study focuses on the succession of company directors at two vital points in East German history. The transfer of power is examined first during the end of World War II to the mid-1950s, while transformation directors presided over businesses. Company heads maneuvered plants through the transitional crises of the removal of the capitalist owners, dismantling, sequestration, nationalization, and the initial, incomplete incorporation into the planned economy. Their successors, whom the author labels "academic managers" due to their training and socialization in East Germany, constituted the second generation of company directors and completed the processes of transformation. Müller argues that the transfer of power represented a critical juncture in company history in which the culture of a company--the values, norms, and attitudes that influenced the actions of its members--conflicted with the forces of change. At these moments, the author argues, the East German economy adapted to the process of sovietization; that is, companies acquired a distinctive personality under the planned economy.
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Zwahr, Hartmut: Die erfrorenen Flügel der Schwalbe. Tagebuch einer Krise (1968-1970). DDR und "Prager Frühling" (= Beihefte zum Archiv für Sozialgeschichte). Bonn: J. H. W. Dietz Nachf. 2007. ISBN 978-3-8012-4176-6; 434 S.; EUR 36,00.
Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Ilko-Sascha Kowalczuk, Abt. Bildung und Forschung, Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes (BStU)
E-Mail: [mailto]ilko.kowalczuk@t-online.de[/mailto]
"1968" gehört zu jenen historischen Chiffren, mit denen die meisten etwas anfangen können. Aber nicht einmal Historikerinnen und Historiker können sich sicher sein, dass sie sich, sprechen sie miteinander über "1968", auch tatsächlich verstehen. "1968" eignet sich zwar für eine global history besonders[1], aber zumeist werden die unterschiedlichen Ereignisse und Prozesse, die mit "1968" gemeint sind oder sein könnten, in Ost- und Westeuropa, in Nord- und Südamerika, in Afrika und Asien additiv und nur selten miteinander verschränkt betrachtet. Am ehesten scheinen noch die populären Jugendkulturen, insbesondere die Rockmusik, das Erinnerungs- und Analyseband zu sein, das die verschiedenen politischen Regionen und Kontinente miteinander verbindet. Der vielfach getrennte Erinnerungsort "1968" hat in Deutschland zudem eine spezifische Teilung erfahren, der wir uns in diesem Jahr wohl noch des Öfteren gewahr werden können. Der Soziologe Heinz Bude glaubt, dass sich "1968" anders als "1945" und "1989" als "sicherer Erinnerungsort im Kollektivgedächtnis" darbietet. [2] Auch wenn er dies in den "Deutschen Erinnerungsorten" postuliert, eher ist "1968" in seiner ganz typischen Lesart ein westdeutscher Erinnerungsort. Bude braucht dies nicht auszuführen oder zu erklären: "1968" ist in der Bundesrepublik fast 20 Jahre nach der Wiedervereinigung im öffentlichen Diskurs kein nationaler Erinnerungsort, sondern ein in den Grenzen der Bundesrepublik vom 2.Oktober 1990 verankerter. [3] Für den Soziologen, der hier den bundesdeutschen Debatten-Mainstream markiert, ist "1968" allein an die Studentenunruhen gebunden. Die (Ost)Berliner Psychologin Annette Simon hingegen stellte schon vor Jahren die These auf: "Die Achtundsechziger im Westen wollten eine Revolution. Sie bekamen einen modernisierten Kapitalismus. Die Achtundsechziger im Osten wollten Reformen und setzten letztendlich eine Revolution in Gang." [4] Kurzum: Die Erinnerungen an "1968" in Frankfurt am Main und Frankfurt an der Oder sind offenbar so unterschiedlich, wie sie kaum verschiedener sein könnten.