zu andreas, der gruppe

RAF Document ID
0019760616
Author
Gudrun Ensslin
Date
16.6.1976
Source
Originalkopie
Text

zu andreas, der gruppe :

er gibt keine "anweisungen", er "ordnet" nicht an, er gibt keine "befehle" und ich kann mich nur an einen befehl erinnern abgesehen von situationen unmittelbar in der aktion - den, mit journalisten die versuchen gefangene zu kaufen - nicht zu sprechen.

die definition des befehls in der raf ist ausserdem bekannt. es ist ein kollektiver beschluss in der phase der durchführung. beschlüsse kommen nicht zustande solange auch nur einer aus der gruppe die entscheidet einwände hat.

die funktion a.'s lief nie über zwang. mir erscheint sie als der absolute gegensatz dazu - von ihm sind die linien, in denen die diskussion der gruppe, die analyse zur konzeption entwickelt und zusammengefasst sind. man kann auch sagen, was seinen stil zu kämpfen so evident macht, stark, ist diese fähigkeit, in jeder sitaution von der analyse und der antizipation wie sie in jeder kämpfenden gruppe laufen theoretisch und praktisch zur konzeption zu kommen.

er "setzt sich" z.b. auch nicht durch. das ist dummes zeug, lächerlich - ich habe es jedenfalls nie erlebt. es läuft anders. es war auch nie notwendig. er insistiert nicht. seine methode zu untersuchen, zu verstehen, zu handeln überzeugt und ich finde es ganz wichtig gegen die totale verzerrung der rezeption seiner persönlichkeit in der hetze durch die psychologische kriegführung mal festzustellen,
dass er in der kämpfenden gruppe und in dem was wir das zelt nennen, die intimität des illegalen kollektivs, durch seine sensibilität und seine präzise abneigung gegen jede form von herrschaft uns eine struktur gezeigt hat, die frei is und dadurch diszipliniert. es ist schwer darüber zu reden, weil es für einen der legal lebt und politisch organisiert ist nicht nachzuvollziehen ist. aber es ist tatsächlich
die spur
des inhalts dieser politik - befreiung - in der kollektiven struktur der illegalen gruppe, was wir in ihm sehen, also wonach sich eigentlich jeder in den entfremdeten, korrumpierten, toten beziehungen, in denen der profit den einzelnen gefangen hält, erschöpft, zerstört - sehnt.

die entscheidung für die proletarische situation und das ist guerilla in der metropole: kampf, besitzlosigkeit, kollektivität ist eine antizipation. im postfaschistischen polizeistaat bundesrepublik, einem land, in dem 45 jahre antikommunistische hetze jede revolutionäre initiative erstickt oder korrumpiert hat, muss sie allen hass, alle mittel der instituierten lüge auf sich ziehen. der staatliche vernichtungswille und der druck auf eine illegale gruppe ist total und er hat durch die institutionelle strategie der massenmanipulation - über den konzernjournalismus und die "öffentlich-rechtlichen", also staatlichen anstalten - und das verwissenschaftlichte instrumentarium der counterinsurrection mehr möglichkeiten, widerstand zu isolieren, einzukreisen, zu assimilieren, zu ersticken, als der alte, der kanonische faschismus.

guerilla in der bundesrepublik, die raf als ein moment von klassenbewusstsein, ist aus und gegen diese struktur entstanden - sie hatte schon in der konstituierungsphase einen begriff von der masslosigkeit des vernichtungswillens, mit dem der staat reagieren würde. es gab bei jedem ein klares bewusstsein des antagonismus. was wir nicht haben konnten - WEIL DIE RAF DIESE SACHE, GUERILLA im stabilsten staat des imperialistischen blocks ANGEFANGEN HAT - ist erfahrung mit den subjektiven voraussetzungen der gruppe, oder der gruppen. wir mussten fehler machen. dass aus diesen fehlern gelernt worden ist und hier massenhaft begriffen werden konnte dass freiheit nur im kampf für befreiung möglich ist - es so in der bundesrepublik illegale kontinuität gibt, hat eine wesentliche voraussetzung in der kraft der struktur, die andreas in der raf entwickelt hat, d.h. dem bewusstsein und der identität der gruppe, die verhindert hat dass sie nach der niederlage 1972 unter der folter, in den trakten, der isolation, dem psychiatrisierungs-, gehirnwäsche- und vernichtungsvollzug zerbrochen und zum werkzeug für die counterpropaganda der regierung geworden ist. an diesem kampf um kontinuität auf einem vom staat total bestimmten und kontrollierten terrain musste in dem mass, in dem er gewonnen wird weil er ein beispiel ist - das vernichtungsinteresse bubacks sich festbeissen. so sind in den letzten 2 jahren 4 gefangene ermordet und 40 gefangene in dem psychiatrisch konzipierten vernichtungsvollzug bis zur physischen und psychischen erschöpfung gefoltert worden. aber es sind in den 6 jahren, in denen es gefangene aus der raf gibt, nur 2 zusammengebrochen: ruhland und müller.

g 16.6.