Sitzung des Holländisch-skandinavischen Komitees mit der Delegation aus Finnland, 23. Mai 1917

P/18a
CHA, Stockholm, N. & C., Mai 1917:2. Hschr. (Camille Huysmans), 1 S.1

Finlande2

23-5-173

   Troelstra, Van Kol, Bang, Möller, Huysmans

   Sirola4

   1) exposé juridique5

   a) L'empereur russe a reçu la Finlande à
condition de respecter les lois fondamentales

   b) La Finlande est libre à l'intérieur, c'est
à dire que le Parlement Finlandais ne dépend pas du Parlement
russe. S'il faut un organisme commun, c'est à la diète d'y
consentir.6

   "Si le tzar disparaît, le Parlement finlandais devient
constituante".

   Telle est la thèse actuelle.

   Il ne faut pas que les droits du tzar soient
transférés à l'état russe.

   Attitude socialistes russes7

   a) Bolcheviki: si Finlande veut, soit

   b) mencheviki: attendre. Veulent que F.[inlande] à la
Douma.

   F.[inlandais]: Craignent la réaction russe demain.
Veulent garanties.8

   S.[irola]: Les F.[inlandais] veulent l'indépendance
complète à la conclusion de la paix
.9

Anmerkungen

1   Siehe auch Dok. Nr. P/18b-c und Sitzung am 24.5., Dok. Nr.
P/19a-b und Pressekommuniqué Dok. Nr. P/19d. - Zu den Sitzungen mit der
finnischen Delegation am 23. und 24.5.1917 Karl H. Wiiks Bericht, ganz kurz
zusammengefaßt bei Hentilä 1982, S. 16, und Sirolas Bericht im
Parteivorstand der Sozialdemokratischen Partei Finnlands, nach Wiiks Tagebuch,
Abschrift S. 62f. (Bericht dort unvollständig wiedergeben), Eintragung
25.10.1917, in ARAB, Kopiesamling, Box 15; auch Eintragung 29.8., ebd. S. 50;
hschr. Konzept von Huysmans von Artikel für De Belgische Socialist/Le
Socialiste Belge, CHA, Stockholm, Corr., Mai 1917, Nr. 129. Siehe Gummerus
1927, S. 335-339; Kirby 1974, S. 73-80; Hentilä 1982, S. 15-17; Upton
1980, S. 77. Zur Politik der finnischen Sozialdemokratie 1917 Ketola 1987. -
Wiiks Erinnerung an seine Tätigkeit in Stockholm in einem Kommentar von
1939 zur Lücke in seinem Tagebuch zwischen dem 8.5. und 13.6.1917
(Abschrift), S. 31: Während des Aufenthalts in Stockholm habe er wegen
erwarteter "Leibesvisitation an der Grenze" keine Aufzeichnungen gemacht. -
Siehe auch Dok. Nr. P/27d.

2   Mit Blaustift geschrieben. - Die finnische Delegation bestand
aus Yrjö Sirola und Karl H. Wiik. In der Eintragung vom 28.4.1917
zur Diskussion im Parteivorstand der sozialdemokratischen Partei über die
Teilnahme an der Stockholmer Konferenz war neben Wiik noch Heurlin als
Vertreter gewählt worden und, falls letzterer nicht teilnehmen könne,
Sirola. Für Sirola wurde am 29.4.1917 vom finnischen ISB-Mitglied O.W.
Kuusinen und Parteisekretär Matti Turkia eine Vollmacht ausgestellt, im
Mai 1917 in Stockholm die finnische sozialdemokratische Partei bei den
Verhandlungen mit den ausländischen Bruderparteien und auf internationalen
Konferenzen zu vertreten, in CHA, Stockholm, Corr., April 1917, ohne Nr. -
Sirola traf am 4.5.1917 in Stockholm ein und blieb dort den ganzen Sommer
über. In Stockholm suchte er "sofort" ("genast") den finnischen Aktivisten
Herman Gummerus auf, bei dem er dann oft war, so Gummerus 1927, S. 335. Zu
Sirolas publizistischem Wirken: Interview in schwed. Social-Demokraten
5.5.1917, S. 6, und danach in Internationale Korrespondenz (IK), Nr. 13,
19.5.1917, S. 9; Interview in Dagens Nyheter 8.5.1917, S. 1, "Ett demokratiskt
Finland" [Ein demokratisches Finnland]; Interview in Vännäs, in
Martna, Finnland in der Revolution, in Internationale Rundschau 1917, S.
337-343; "Ministersocialismen i Finland" [Der Ministersozialismus in Finnland]
in schwed. Politiken 16.5.1917; "Det nye Finland" in dän.
Social-Demokraten 27.5.1917, S. 5; "Finland och folkrätten" [Finnland und
das Völkerrecht] in schwed. Social-Demokraten 25.7.1917, S. 3; "Die
Ereignisse in Finland während der Revolutionszeit. Der Verfassungskonflikt
mit der provisorischen Regierung" in ISK-Nachrichtendienst Nr. 19, 16.8.1917,
S. 1-6; "The constitutional conflict between Finland und Russia", 3.8.1917
(mschr.), "Die russische Revolution und die finnische Demokratie" (mschr.),
19.8., und "Finland and international law" (mschr.), 24.8.1917, in ARAB, NL
Höglund, Box 6; der Artikel vom 3.8.1917 auch in CHA, Stockholm, N. &
C., Aug. 1917. - Wiik traf am 18.5.1917 in Stockholm ein; siehe
Pressekommuniqué 18.5., in CHA, Stockholm, N. & C., Mai 1917:2, und
schwed. Social-Demokraten 19.5., S. 5. Er kehrte am 14.6. nach Helsinki
zurück, so Tagebuch (Abschrift), S. 31, in ARAB, Kopiesamling, Box 15. Zu
seinem publizistischem Wirken in Stockholm: Interview in schwed.
Social-Demokraten 24.5.1917, S. 5; "Det nya Finland" [Das neue Finland] ebd.
7.6.; "Det finska självständighetskravet" [Die finnische Forderung
nach Selbständigkeit] ebd. 18.6.1917, S. 6, und 19.6., S. 3; "Vad Finlands
folk nu hoppas och fordrar" [Was das finnische Volk jetzt erhofft und fordert]
in Stormklockan 12.5.1917; "Författningskonflikten i Finland" [Der
Verfassungskonflikt in Finnland] ebd. 9.6.; "Finland och Ryssland" [Finnland
und Rußland] in schwed. Politiken 19.5.1917 (vermutlich von Wiik);
"Finlands arbetare och Ryssland" [Die finnischen Arbeiter und Rußland]
ebd. 5.6.; "Finlands frihetskrav" [Finnlands Forderung nach Freiheit] ebd.
6.6.; "Finland och Ryssland" [Finnland und Rußland] ebd. 13.7.
(vermutlich von Wiik); "Lantdagens upplösning" [Die Auflösung des
Landtags] ebd. 20.8.; "Finlands folk vid val" [Das finnische Volk zur Wahl]
ebd. 12.10.; "Finlands Selvstyre" [Die Selbstverwaltung Finnlands] in dän.
Social-Demokraten 14.8.1917, S. 4. Siehe auch Hentilä 1982. - Anfang
September nahm Sirola an der dritten Zimmerwalder Konferenz teil, wo er
über die finnische Frage referierte.

3   Die Vorkonferenz war zuerst für 18.5.1917 geplant, siehe
Telegramm Huysmans an Wiik, 10.5.1917, in CHA, Stockholm, Corr., Mai 1917, Nr.
55; Sirola an Wiik, 11.5.1917, TA, 92, Wiik.

4   Siehe Dok. Nr. P/18c.

5   Siehe Dok. P/19a mit Anm. 3 und 4. Sirolas Stellungnahme, Dok,
Nr. P/18c, ist eine Art von Zusammenfassung.

6   Nach den Notizen von Troelstra, Dok. Nr. P/18b, erklärte
Sirola, daß Finnland ein Staat ohne Souveränität sei.
Hingewiesen wurde auch auf den Kopenhagener Sozialistenkongreß von 1910,
siehe Nachweis Dok. Nr. P/18b, Anm. 4.

7   Siehe dazu "Die Stellung der sozialistischen Parteien in
Russland zu den Unabhängigkeitsbestrebungen Finnlands", Stockholm 16. Mai
1917 (mschr.), in ARAB, NL Wilhelm Jansson, Box 5; weitere Nachweise oben in
Anm. 2 und unten in Anm. 9 sowie in Dok. Nr. P/19a, Anm. 9. Siehe Upton 1980,
S. 42-45; Kirby 1974, 68-73, 79-81; zur russischen provisorischen Regierung und
Finnland Browder/Kerensky 1961/1, S. 334-370.

8   Vgl. die Notizen von Troelstra, Dok. Nr. P/18b, und Sirola in
Dok. Nr. P/18c, sowie die Sitzung am 24.5.1917, Dok. Nr. P/19a-c, und das
Kommuniqué, Dok. Nr. P/19d.

9    Die beiden finnischen Delegierten waren ohne klare
Richtlinien ihrer Partei nach Stockholm geschickt worden. Die Sozialdemokraten
hatten zwar einen Standpunkt eingenommen, der de facto zu einer
Unabhängigkeit geführt hätte, aber man agierte pragmatisch und
vermied eine direkte Konfrontation mit der russischen provisorischen Regierung.
Der prononcierte Standpunkt von Wiik und Sirola geht nicht zuletzt auf die
verschiedenen Einflüsse in Stockholm, "the sophisticated, cosmopolitan
atmosphere"(Upton), und vor allem seitens der finnischen Aktivisten
zurück. Dazu Kirby 1974, S. 74-76, 80, und Kirby 1986, S. 165 (u.a. mit
Bezug auf einen Artikel von Sirola); Upton 1980, S. 77f.; Hentilä 1982, S.
15f. Siehe auch Dok. Nr. P/19a. Nach den Erinnerungen von Gummerus 1927, S.
335, hatten Sirola und Wiik den Auftrag der sozialdemokratischen Partei, deren
Auffassung von der Selbständigkeit Finnlands den ausländischen
Sozialisten nahezubringen. Er nennt auch "eine intime Zusammenarbeit" ("ett
intimt samarbete") mit ihm und anderen Aktivisten. In ihren öffentlichen
Stellungnahmen waren Wiik und Sirola vorsichtigt, "adopted a cautious line", so
Kirby 1974, S. 75f. Sirola etwa erklärte in seinem Interview in Dagens
Nyheter 8.5.1917, S. 1: "wir müssen eine deratige selbständige
Stellung fordern, die die Entwicklung und Demokratie stärkt und
garantiert. Es ist das Recht und der höchste Willen einer jeden Nation,
frei zu sein" ("måste yrka på en sådan självständig
ställning som tryggar och garanterar framåtskridande och demokrati.
Det är varje nations rätt och dess högsta vilja att vara fri").
- Im Rückblick schrieb Sirola an Wiik, Moskau 8.9.1918, in TA, 92, NL
Wiik: "Men jag var oklar, lat och feg. Var du - du inser väl att din
idealistiska zimmerwaldism ej var fri från nationalism
(laglighetsståndpunkten och vår promemoria för Huysmans - fy
fan). Vi voro båda internationalister och voro motvilligt med om
självständighetskravet, men har du gjort klart för dig om din
internationalism ej var till en del opportunism inför "den ryska
demokratin" (Skobeleff m.fl.). Jag var realist och opportunist gentemot "den
ryska revolutionen" (skämdes för vår feghet, den uteblivna
kampen mot tsarismen) men utvecklades dock så långt att fordra
federationen med en [ett] Ryssland som erkände vår
självständighet" [Aber ich var unklar, faul und feige. Warst du - du
siehst wohl ein, daß dein idealistischer Zimmerwaldismus nicht frei von
Nationalismus war (der Gesetzlichkeitsstandpunk und unsere Denkschrift für
Huysmans - pfui Teufel). Wir waren beide Internationalisten und waren
widerwillig für die Forderung nach Selbständigkeit, aber bist du im
Klaren darüber, daß dein Internationalismus teilweise Opportunismus
"der russischen Demokratie" gegenüber (Skobeleve u.a.) war. Ich war
Realist und Opportunist "der russischen Revolution" gegenüber
(schämte mich wegen unserer Feigheit, dem nicht stattgefundenen Kampf
gegen den Zarismus), entwickelte mich aber doch so weit, um die Föderation
mit einem Rußland, das unsere Selbständigkeit anerkannte, zu
fordern]. - Wiik und Sirola führten Gespräche mit zahlreichen
Vertretern sozialistischer Parteien, neben Branting und Huysmans, siehe Dok.
Nr. P/19a, Anm. 7, 8 und 26, und dem Holländisch-skandinavischen Komitee
u.a. mit den beiden Österreichern Wilhelm Ellenbogen und Anton Hueber, so
Gummerus 1927, S. 338; mit Vertretern der MSPD, siehe Dok. Nr. P/27d; mit
Delegierten der USPD, mit denen Sirola "viel" zusammen war, so in Sirolas
Bericht am 25.10.1917 in Wiiks Tagebuch (Abschrift), S. 62f. Kautsky war "sehr
kritisch der Selbständigkeit gegenüber, ihr werdet wie Belgien, gegen
internationale Garantien, gegen eigenes finnisches Zollgebiet" ("mycket kritisk
mot självständigheten, ni blir såsom Belgien, mot
internationella garantier, mot eget finskt tullområde"). In einer der
Sitzungen mit der USPD betrachtete er u.a. die finnische Frage als eine
Angelegenheit der inneren Politik, Dok. Nr. P/44b. Bernstein sei "alter
Intellektueller und dürrer Herr, der jaja sagt und rät, sich vor den
ausländischen Diplomaten in Stockholm in Acht zu nehmen" ("gammal
intellektuell och torr herre, som säger jo jo, gav rådet att akta
sig för de utländska diplomaterna i Stockholm"). Beide hätten
auch erklärt: "Die separatistischen Bestrebungen der kleinen Völker
sind Kraftverschwendung" ("De små folkens separatistiska strävanden
äro kraftförbrukning"), nach Wiiks Tagebuch (Abschrift), S. 50,
Eintragung am 29.8.1917. Vgl. Kirby 1974, S. 478. Am meisten hatten Wiik und
vor allem Sirola Kontakt mit den schwedischen Linkssozialisten.