Sitzung des Holländisch-skandinavischen Komitees mit der Delegation aus Finnland, 24. Mai 1917

P/19a
CHA, Stockholm, N. & C., Mai 1917:2. Hschr. (Arthur Engberg), 31 S.1

Sitzung am 24. Mai

   Die Forderungen der finn.[ischen] Genossen2

   1) Regel.[ung] der nat.[ionalen] Verh.[ältnisse]
Fin[n]lands 2) Bei den Berat.[ungen] soll Fin[n]l.[and] selbst gehört
werden.

   3) Die Form der Vertretung (eine Delegation des Landtags)

   Branting: Von wem stammt dieser
Bericht.3

   Sirola: Wir hatten diese Punkte ausgearbeitet ehe
wir diese vom Professor Erich formulierten Punkte kannten.4

   Troelstra: Sind die Genossen in Finl.[and] mit
diesen Punkten einverstanden?

   Diese internat.[ionale] Regel.[ung] soll von gewissen Garanten
garantiert werden. Diese Gar.[anten] sollen Pflicht haben
einzugreifen.5

   Wiik: Die Ansichten unserer Partei sind
unabhängig von Erichs Ansichten. Im letzten Herbst wo es klar war, dass
der russische Tsarismus eine Niederlage leiden sollte, da fingen wir an diese
Fragen zu diskutieren. Nach der russ.[ischen] Revol.[ution] ist der
Selbstbest.[immungs]-Gedanke lebhafter geworden auch in unserer Partei. Der
Selbstbest.[immungs]-Ged.[anke] hat Fortschritte gemacht weil die Russen eine
Erweiterung der finnischen Autonomie geweigert haben. Man muss beachten, dass
eine Sachlage eintreten kann wo wir unsere Verbindungen mit Russland brechen
müssen. Ich glaube dass wenn [man] jetzt eine Volksabst.[immung] machen
würde so sollte die Mehrzahl für die Unabhängigkeit
stimmen.6

   Branting: Gen.[osse] Wiik will sagen dass die
Grant.[ie] der Grossen nötig ist auch wenn ein selbständiges
Fin[n]land entsteht.

   Huysmans: Holland ist ein selbständiger
Staat, Belgien nicht. Sie wollen sich also in die Lage Belgiens
setzen.7

   Branting: In Fin[n]land ist es eine Frage vom
Schutz gegen eine einzige Grossmacht. Die Gegenleistung eine besondere
Sache.8

   Huysmans: Unabhängiger Staat mit
Garantien
ist also was die Finnen wollen.

   Wiik: Wir wollen eine Selbständ.[igkeit] die
nicht nur auf dem Papiere bleibt.

   Branting: Die volle Unabhängigkeit ist also
die ideale Lösung für Sie. Aber es wäre auch etwas anders
möglich, mit Verbindungen zwischen Fin[n]land und Russland. Vor der
russ.[ischen] Revol.[ution] exist.[ierte] die Unabhäng.[igkeit] kaum als
polit.[isches] Probl.[em] für unsere finnl.[ändischen] Genossen.
Man wollte da auf eine Entwicklung mit Russland zusammen hoffen.

   Wiik: Es ist zu bemerken dass die
fortschrittlichen Bestrebungen in den letzten Monaten besser gelungen sind als
in Russland. Wir haben nichts mehr von Russland zu hoffen. Die Revol.[ution]
bewirkte dass der Gedanke an Selbständigkeit ins Leben gerufen wurde. Wir
Soz.[ialisten] hatten immer die Meinung dass die Selbst.[ändigkeit]
Fin[n]lands zusammen mit einer russ.[ischen] Rev.[olution] zu erkämpfen
wäre.9

   Branting: Erlaube mir die Bemerkung zu machen,
dass, wenn Sie sagen dass eine Lage eingetreten ist wo das finn.[ische] Volk
nichts mehr vom russ.[ischen] Volk zu hoffen hat, es doch die Meinung ist einen
Schutz zu fordern gegen Übergriffe von Seiten Russlands. In welcher Stelle
steht also die finn.[ische] Partei zur Landesverteidigung.

   Wiik: Wir hoffen innig dass es nicht
unmöglich sein wird freundlich mit Russl.[and] zusammenzuleben wenn die
russ.[ische] Demokratie gesichert wird.

   Branting: Sie hoffen innig dass die
Entwickl.[ung] des Selbst.[ändigkeits]-Ged.[dankens] auch von den Russen
verstanden wird wie betreffs der polnischen Nation. Nicht nur der Tsarismus war
also dagegen, sondern man hat auch in der Duma zentralistisch gedacht.

   Wiik: Die Verh.[ältnisse] in Russland sind
noch ein grosses x [das Unbekannte].

   Sirola: Wir fürchten eine Reaktion die
möglicherweise eine demokr.[atische] Form hat.

   Branting: Sie wollen eigene auswärtige
Politik haben?

   Finnen: Ja.

   Branting: Und wenn es Autonomie wird da wird der
Minister des Äusseren Russlands auch M.[inister] d.[es] Äuss.[eren]
für Fin[n]land.10

   Troelstra: Das schliesst nicht aus dass eigene
Konsuln gehalten werden.

   Branting: Eben zwischen Schweden hatten wir
grosse Streitigkeiten in den neunziger Jahren über die
Konsultafrage.11 Das Problem ist nur verschoben, denn wir
müssen jetzt gemeinsam Politik treiben und da ist das alte Problem wieder
da. Aber in diesem Sinne wäre es auch gut wenn Fin[n]land zur
Selbständigkeit kommen könnte. Aber wie ist es mit der
Eventualität einer Landesverteidigung? Es ist wohl kaum zu hoffen, dass
man in der nächsten Zeit die Verteidigung frei werde.

   Huysmans: Wie werden Sie sich benehmen um sich zu
verteidigen?

   Branting: Auch wenn man eine internat.[ionale]
Rechtsordn.[ung]12 hat so wird es für Fin[n]land notw.[endig]
[sein] eine Verteidigung zu haben.

   Huysmans: Wenn Sie an die Mächte fragen um
Garantien so werden die Mächte antworten welche Massregeln wollen sie
selbst ergreifen?

   Troelstra: Ich muss ehrlich sagen dass ich mir
nicht vorstellen [kann] dass man nach diesem Kriege den Krieg als Schiedsmittel
zwischen den Staaten behalten kann. Es soll in der Welt eine Macht sein die vom
Gedanken ausgeht, dass nach diesem Kriege ein Militarismus undenkbar ist.

   Branting: Erinnere mich lebhaft noch Stuttgart
dass ich desselben Gedankens war. Aber es wird immer eine Frage sein ob es
jedoch möglich sein wird für ein Volk das als neues Glied in die
Kette der Nationen eintritt, nichts für seine Verteidigung zu tun. Es wird
für ein neues Volk nötig [sein] sich mit dem Gedanken zu
beschäftigen wie wir es in den alten Ländern gemacht
haben.13

   Troelstra: Die Lösung der
mil.[itärischen] Frage in Fin[n]land kann keine andere werden als die
Lösung der mil.[itärischen] Frage in den übrigen kleinen
Nationen.14

   Huysmans: Wir müssen die Sache so sehen wie
sie sein kann.

   Troelstra: Wir leben jetzt in einer Zeit wo die
Welt einen grossen Schritt vorwärts macht. Deshalb bin ich nicht bereit
mich der einen oder anderen Seite hinzugeben.

   Wiik: Die Verletzung der Neutr.[alität] Belgiens
bezeugt dass die Garantien wertlos sein können. Das haarsträub.[ende]
Beispiel Belgiens bezeugt wie wenig eine Armé eines kleinen Landes tun
kann.

   Branting: Die Frage von der Bed.[eutung] der
belg.[ischen] Vert.[eidigung] ist damit nicht erledigt dass die Deutschen
Oberhand behielten. Denn es ist doch unerhörte Bedeutung, die die
Verteid.[igung] der Belgier gehabt hat.15

   Troelstra: Die Frage der Bed.[eutung] der kleinen
Staaten hat eine neue Lage seitdem die Bündnisse eingetreten sind.

   Branting: Hier in Schweden werden diese
Gesichtspunkte von einer einseitigen Seite verleugnet.16

   Branting: Sie sagen dass die kulturelle
Orientierung mehr nach Westen als nach Osten geht. Aber ist es eine mehr lose
Orientierung?

   Wiik: Wir wollen uns natürlich nicht mit den
militaristisch gesinnten Klassen verbunden [verbünden]. Diese Sachen sind
nicht diskutiert.

   Branting: Meine Meinung war wie man sich die
Entwicklung in Fin[n]land oekonomisch und kulturell gedacht hat.

   Sirola: Wir wissen noch nicht wie die
russ.[ische] Entwick.[lung] werden [wird] und desh.[alb] können wir dies
nicht feststellen. Es wird natürlich auch von der Entw.[icklung] in
Schweden abhängen. - Gab einige Ziffern für Ausfuhr und Einfuhr.

   Einfuhr Russland: 140 milj. [Millionen]

   Deutschland 202 -"- [Wiederholungszeichen: Millionen]

   England 60 -"- [Wiederholungszeichen: Millionen] 

   Ausfuhr17

   Huysmans : Wie denken sich die
finnländischen Genossen die beste Lösung? Es ist wohl am besten dass
der Antrag von ihnen kommt und nicht von Russland. Wie denken Sie sich den
Verband?

   Branting: Gen.[osse] Huysm.[ans] meint dass es
aus polit.[ischen] Gründ.[en] wichtig ist dass Sie eine eigenes Programm
haben.

   Van Kol: Das wird auch davon abhängen wie
sich der russ.[ische] Staat entwickelt.

   Sirola: Wir gehen mit Vorsicht vor und wir
können nicht sagen wie es sich gestalten wird.18

   Troelstra: Die finanz.[ielle] Frage muss auch
beachtet werden. Ich kann mir sehr gut vorstel.[len] dass die Finnen die
absolute Unabh.[ängigkeit] von Russl.[and] wollen und dass sie deshalb mit
dem Gedanken an der oekon.[omischen] Lage vertraut sein müssen.

   Branting: Ihre Stellung zu Polen, Serbien,
Elsass-Lothringen u.s.w.?

   Wiik: Wünschen dass die allgemeinen
Prinzipien da zur Geltung kommen.19

   Troelstra: Wie soll das Prinz.[ip] aus
Elsass-Lothringen angegangen werden? Longuet hat schon geschrieben dass es eine
Abstimmung stattfinden muss, aber dass nicht die eingegezogenen Familien daran
teilnehmen dürfen.20

   Branting: Über Polen?

   Wiik: Die Frage nicht entschieden. Es ist ja
schon fait accompli. Das preuss.[ische] Polen muss auch angeschlossen
werden.

   Huysmans: Die belgische
Wiederherstellung?

   Wiik: Alle die kriegführenden Mächte
müssen daran teilnehmen. Denn der Krieg ist aus dem allgemeinen
Imperialismus emporgewachsen.

   Branting: Soll also nicht der Staat der den
Schaden verrichtet hat in erster Linie in Betracht kommen?

   Huysmans: Es waren doch nicht französische
Heere die die Deutschen in Belgien bekämpften u.s.w.

   Troelstra: Unabhängig von der Schuldfrage
ist ein Verbrechen an Belgien begangen [worden] und deshalb kommt in erster
Linie die Pflicht der Wiederherstellung Deutschland zu.

   Branting: Es ist der Gedanke emporgekommen dass
auch die Neutralen sich an den Wiederherstellungskosten beteiligen sollen. Aber
hier liegt doch die Sache anders.

   Huysmans: Es ist hier die Rede nur von Belgien,
und da ist es Tatsache, dass Deutschland gewaltige Kriegskontributionen
genommen hat.

   Sirola: Deutschland soll Belgien
wiederherstellen.

   In den übrigen Punkten des Diskussionsprogramms
erklärten sich die Delegierten der finnischen Partei einverstanden mit
denselben. Der Einfluss des Landtags muss sich beim Friedensschluss geltend
machen.21

   Branting: Mitarbeit der soz.[ialistischen]
Parteien
?22

   Huysmans: Lloyd George erklärt dass
an der direkte[n] Regierungskommission The Labour Party Recht hat
teilzunehmen.23

   Brant.[ing]: Massregeln um einen
dauerhaften
u.s.w.?24

   Finnen: Einverstanden.

   Brant.[ing]: Bereit ohne Bedingung an einer
allg.[emeinen] Konfer.[enz] teilzunehmen.

   Wiik: Darüber hat man noch nicht des
näheren gesprochen.25

   Branting: Schuldfrage?

   Wiik: Ich werde meinen Genossen mitteilen was wir
verhandelt haben und wir können jetzt keine definitive Stellung
einnehmen.

   Söderberg: Teilnahme ohne Bedingung? Es wird
doch nötig sein dass die Bruderparteien sich bedingungslos
anschliessen.

   Branting: Damit einverstanden.

   Troelstra: Ich auch.

   Wiik: Keine Bedingungen hinsichtlich der
Konferenzen.26

   Branting: Majoritäten und
Minoritäten?

   Wiik: Auch die Minderheiten in den neutralen
Ländern sollten teilnehmen (z B Holland u.[und] Schweden).

   Troelstra: Die holländische Minorität
ist zimmerwaldisch und will nicht an der Wiederherstellung der Internationale
teilnehmen.27 Sie haben offen gesagt dass sie die bestehende
Internationale vernichten wollen. Sie würden eine[n] Diskussionsklub
über neue Theorien bilden. Das wäre alles. Aber anders stehts mit den
Minoritäten in den kriegführenden Ländern. Für Holland ist
also die Lage klar. Wir wollen nicht eine Zersplitterungskonferenz.

   Branting: Ganz dasselbe trifft für Schweden
zu. Auch bei uns haben die Organe der Minderheit gehässig gegen die
Konferenz Stellung genommen.28 Sie schimpfen uns Sozialpatrioten.
Wir wissen im voraus dass sie die Gelegenheit benutzen würden um ihre
eigene Internationale zu grunden [gründen] versuchen. Das ist mit gutem
Vorbedacht getan. Die Verhältn.[isse] in den kriegführenden
Ländern liegen ganz anders.

   Nina Bang:29Die
dänische Partei hat auch eine Opposition die gefordert hat dass auch die
Minderheiten der kriegführenden Länder an der Konfer.[enz] teilnehmen
werden.30 Unsere Leitung dagegen.

   Söderberg: Wir neutralen werden nicht grosse
Rolle spielen. Würden wir ausserdem die Minderheiten einberufen da
wäre es noch schlimmer. Die hauptsächliche Diskussion muss unter den
kriegführenden geschehen nicht unter uns neutralen. Deshalb nicht
nötig.

   Möller: Klar dass wir eine Konfer.[enz]
wollen um die Wiederherst.[ellung] der Internat.[ionale] zu erzielen.
Opposition erklärt dass die Internat.[ionale] tot ist.

   Huysmans: In Amerika haben wir Argentinien und
Uruguay. Da keine Opposition. So in den übrigen Ländern. Es bleibt
Schweden, Holland. Konstatiere nur objektiv dass sowohl Holland als Schweden
nicht teilnehmen wollen.

   Huysmans: Alle angeschl.[ossenen]
Parteien
sind eingeladen. Weiter: die Minoritäten wie die
Majoritäten in den kriegführenden Ländern.

   Sirola: Auch formell hat man die
Zimmerwalderparteien der kriegführenden Länder eingeladen.

   Troelstra: Polemik gegen die Zimmerwalder.

   Wiik: Gibt zu dass Huysmans formal richtig
hat.

Anmerkungen

1   In CHA, Stockholm, N. & C., Mai 1917:2 auch hschr. Notizen
von Huysmans (franz., 4 S.). Hschr. Notizen von Troelstra, IISG, NL Troelstra
423. Kommuniqué Dok. Nr. P/19c. Siehe Nachweise in Dok. Nr. P/18a, Anm.
1. - Anwesend waren, wie aus dem Protokoll und den Notizen von Huysmans
hervorgeht: Sirola, Wiik, Troelstra, Branting, Van Kol, Nina Bang, Möller,
Söderberg, Huysmans, Engberg. - Siehe auch vorherige Sitzung Dok. Nr.
P/18a-c und Gespräch mit MSPD Dok, Nr. P/27d.

2   Nach den oben in Anm. 1 nachgewiesenen Notizen von Huysmans
erfolgte zuerst eine Begrüßung, ohne Angabe durch wen. - Die
Forderungen ganz in Dok. Nr. P/19b.

3   Mit dem Bericht ist das Dokument "Die neueste Phase der
finnischen Frage. Ein Gutachten" gemeint, datiert 23.5.1917, in ARAB,
Holländsk-skandinaviska kommittén, Box 1, sowie dort auch in NL
Branting, 4.1:2, und NL Höglund, Box 6; IISG, NL Wibaut, 226, V;
abgedruckt in Stockholm 1918, S. 298-304. - Siehe auch nächste Anm. sowie
Dok. Nr. P/18c und Nr. P/19b.

4   Die finnische sozialdemokratische Partei arbeitete ein
Memorandum zu den russisch-finnischen Beziehungen aus, das am 29.3.1917 in
Helsinki an Kerenkij überreicht wurde. Dort wurde die
größtmögliche Freiheit für Finnland gefordert, aber
innerhalb einer Union und in Zusammenarbeit mit Rußland. Eine eindeutige
Stellungnahme hatte die Partei allerdings nicht. Ungefähr gleichzeitig
formulierte, der Jurist Rafel Erich, der der finnischen Aktivisten-Bewegung
angehörte, in Stockholm ein "finnische Maximalprogramm", in dem
Selbständigkeit gefordert wurde. Erich legte seine Forderungen z.B. in
Stockholms Dagblad 24.3.1917 vor ("Finlands lantdag. Dess sammankallande och
dess kompetens under rådande interregnum. En statsrättslig
utredning" [Der finnische Landtag. Seine Einerufung und Kopetenz im
gegenwärtigen Interregnum. Eine staatsrechtliche Untersuchung]). Das
finnische Memorandum von Sirola und Wiik, in dem ebenfalls Selbständigkeit
gefordert wird, ist unter dem Einfluß der Aktivisten konzipiert worden.
Nach Kirby 1974, S. 68, besteht der wichtigste Unterschied zu Erichs Programm
in der Haltung dem neuen Rußland gegenüber und der Möglichkeit
einer Zusammenarbeit. - Siehe auch Dok. Nr. P/18a, Anm. 9.

5   Danach durchgestrichen: "Huysmans [unterstrichen]: Die Garanten". - Nach den oben in Anm. 1 nachgewiesenen Notizen von Huysmans: "2) CH. a) la question Finl[andaise] doit être reglée par un congrès international b) la Finlande y sera représentée directement c) par l'organe à indiquer par le parlement/gouvernement". - In den oben in Anm. 1 nachgewiesenen Notizen von Troelstra steht: "Garantie der mogendheden zeker noodig óók als Finland zelfstandig wordt" [Garantien der Mächte sicher notwendig, auch wenn Finnland selbständig wird]. Garantien hatte auch Sirola in der vorigen Sitzung angesprochen, Dok. Nr. P/18c. Sie werden auch im finnischen Memorandum, nachgewiesen oben in Anm. 3, gefordert, und in der Resolution "Die künftige Stellung Finnlands" des Parteitags der finnischen Sozialdemokratie am 18.6.1917, nachgewiesen in unten Anm. 7. Kirby 1974, S. 76f., nennt den Entwurf eines Artikels von Wiik, wo ebenfalls internationale Garantien fordert, was von russischer, zumal bolschewistischer Seite verurteilt wurde, weil damit russischer Einfluß eingeschränkt bzw. ausgeschaltet werde.

6   In den oben in Anm. 1 nachgewiesenen Notizen von Huysmans wird
Wiiks Stellungnahme folgendermaßen zusammengefaßt: "3) Wiik
état indépendent garanties formelles nous voulons a) aussi
grande indép[endance] que possible b) aussi fortes garanties -"-
[Wiederholungszeichen: que possible]". In den ebd. nachgewiesenen Notizen von
Troelstra: "Vóór rev. idee: noodig met Rusl. vrijheidbev.
toestand te ontwikkelen. Na rev. 't idee eigen vrijheid, vroeger als ver
verwijderd ideaal, nu als prakt. mogelijke eisch - Finl. volk meer
vooruit dan Russ. volk" [Vor der Revolution Vorstellung: notwendig mit
Rußland freiheitsfördernden Zustand zu entwickeln. Nach der
Revolution die Vorstellung von eigener Freiheit, ehemals als weit entferntes
Ideal, jetzt als praktisch durchführbare Forderung - das finnische Volk
weiter voran als das rusische]. - Zur Komitee-Sitzung schrieb Wiik 1939 in
seinem Kommentar zur erwähnten Lücke in seinem Tagebuch zwischen dem
8.5. und 13.6.1917, Abschrift S. 31: "Jag redogjorde på tyska för
finska frågan, utläggande att Finland ej hade något gemensamt
med Ryssland och att blott fysiskt tvång kunde vidmakthålla
förbindelsen statligt, vilket Branting ansåg vara etwas schroff
sagt. Uppmanade att också yttra oss om värdspol.
[världspolitiska] situationen sade vi oss ej ha instruktioner och
alltså blott kunna framföra egna meningar därom, vilket dock
Brg [Branting] fann vara av vikt. Jag framhöll bl.a. folkens
självbestämmanderätt, som borde tillämpas också
på Elsass-Lothringen och sålunda, att sedan flyktingarna
återvänt hela den nuvarande befolkningen där finge avgöra,
att man alltså icke - såsom någon från franskt
håll yrkat - skulle återgå till
befolkningsförhållandena 1871. Branting nickade instämmande
häri" [Ich referierte auf deutsch zur finnischen Frage, erklärte,
daß Finnland mit Rußlands nichts gemein hat und nur physischer
Zwang eine staatliche verbindung aufrechterhalten könne. Branting fand das
etwas schriff gesagt. Er forderte uns auf, auch etwas zur weltpolitischen Lage
zu sagen. Wir erklärten, daß wir keine Instruktionen bekommen
hätten, also nur unsere eigenen Ansichten äußern könnten.
Das erschien doch Branting von Bedeutung. Ich wies u.a. auf das
Selbstbestimmungsrecht der Völker hin, das auch im Falle
Elsaß-Lothringen praktiziert werden müsse und, nachdem die
Flüchtlinge wieder zurück seien, die gesamte Bevölkerung
entscheiden solle, daß man also nicht, wie von französischer Seite
gewünscht, von den demografischen Verhältnissen von 1871 ausgehe.
Branting nickte zustimmend]. - Auf dem Parteitag der finnischen
Sozialdemokratie am 15.-18.6.1917 wurde dann "die Forderung der staatlichen
Selbständigkeit für das Volk Finnlands" erhoben. Man wandte sich "an
die sozialdemokratischen Partein aller Länder und vor allem an die
Bruderparteien Russlands und appelliert an ihre Unterstützung im Kampf
für die Selbständigkeit Finnlands". Diese Resolution am 18.6. ("Die
künftige Stellung Finnlands") im Protokoll S. 101; mschr, deutsch in CHA,
Stockholm, N. & C., Juni 1917:3, sowie in ARAB, NL Höglund, Box 6, und
ISK-Nachrichtendienst Nr. 19, 16.8.1917, S. 7f. Zum Parteitag Upton 1980, S.
52-55.

7   Auf letzteres wies auch Kautsky hin, siehe Dok. Nr. P/18a,
Anm. 2. Huysmans hatte in einem privaten Gespräch Finnland das gleiche
Recht wie Belgien zugestanden ("att åt oss ej kan ges mindre än
åt Belgien" [daß uns nicht weniger gegeben werden könne als
Belgien]), so nach Sirolas Bericht in Wiiks Tagebuch (Abschrift), S. 63,
Eintragung 25.10.1917, in ARAB, Kopiesamling, Box 15.

8   In den oben in Anm. 1 nachgewiesenen Notizen von Huysmans wird
Brantings Stellungnahme folgendermaßen zusammengefaßt: "4)
Branting Avant la révolution, le
problème pas si urgent. Pas de courant si radical. On se contentait
d'une autonomie + complète". - Branting hatte bei seinem Besuch in
Petrograd Anfang April mit Kerenskij und danach in Gesprächen mit Wiik
über die finnische Frage gesprochen, so Wiik in seinem Tagebuch
(Abschrift), S. 18, Eintragung 10.4.1917, in ARAB, Kopiesamling, Box 15. Er
stand den Selbständigkeitsbestrebungen offensichtlich etwas reserviert
gegenüber. Nach einer Eintragung am 29.8.1917, ebd. S. 50, habe er dem
Bericht von Sirola zufolge erklärt, "daß die Finnen sich keine
Hoffnungen auf der Konferenz machen sollen, sie haben alles durch ihr dummes
Vorgehen verloren" ("att finnarna ej ha något hopp på konferensen,
ha förlorat allt genom sitt dumma förfarande"). Branting habe aber
später gefragt, was die Finnen für Pläne hätten, falls die
Selbständigkeit nicht erreicht werden können, vielleicht einen Bund
mit Schweden, ebd. S. 63, Eintragung 25.10. - Nach Kirby 1974, S. 80, habe
Branting "richtig" festgestellt, daß die Forderung nach
Unabhängigkeit für die finnische Sozialdemokratie "neu" gewesen sei.
Die Diskussion zeigt, daß die Überraschung im
Holländisch-skandinavischen Komitee über die die "plötzliche"
Forderung nach Unabhängigkeit groß war. In seinem oben in Anm. 1
nachgewiesen Artikel stellt auch Huysmans die Frage, ob das politisch
vernünftig sei ("une bonne politique"), wo doch Finnland schon praktisch
autonom sei ("quasiautonome"). - Auch Erik Palmstierna, Mitglied im
Parteivorstand der SAP und einer der außenpolitischen Experten der
Partei, habe, so Sirola im Parteivorstand am 25.10.1917, "uns gewarnt, den
Bogen zu weit zu spannen" ("varnat oss för att spänna bågen
för högt"), ebd. S. 62.

9   Danach durchgestrichen: "Von den Intellectuellen die unter dem
Ver." - In den oben in Anm. 1 nachgewiesenen Notizen von Huysmans wird Wiiks
Antwort auf Branting folgendermaßen zusammengefaßt: "5) Wiik
Exact. Nous n'avons + rien à espérer de la Russie. Nous devions
soutenir la révolution russe. De là, attendre.
L'indépendance complète était idéal lointain avant
la guerre, la bourgeoisie se rapprochait de Pétrograde. Pendant la
guerre, les activistes déclarent à Berlin nous voulons atteindre
notre but par l'adhésion de la Russie. Les Polonais ont obtenu
l'adhésion des Russes à l'indépendance. Idem les
Finlandais peuvent le faire." In den ebd. nachgewiesenen Notizen von Troelstra:
"Deel der intell. willen met Dl. de onafhankelijkheid verweren. Zij
willen geen Schutz v. Rusland. Dit van meer belang i/z [in zaken]
landesverdediging die vroeger door Rusland overgenomen. Hoop, dat de
verandering geschieden zal met goedvinden v. Rusland - demokrat. elementen er
in 't allgemeen voor. Zie ook Polen" [Einige Intellektuelle
wollen die Unabhängigkeit mit Deutschland erreichen. Sie wollen
keinen Schutz durch Rußland. Dies von größerem Belang
hinsichtlich der Landesverteidigung, die früher von Rußland
übernommen wurde. Hoffnung, daß die Veränderung mit Zustimmung
von Rußland geschieht - die demokratischen Elemente sind im allgemeinen
dafür. Siehe auch Polen]. - Zu Wiiks Beurteilung der
russischen Sozialisten auch seinen Bericht in der Sitzung mit der
MSPD-Delegation am 5.6.1917, Dok. Nr. P/27d. Außerdem die Dok. P/18a,
Anm. 4 , 7 und 9 (Brief Sirolas) angeführten Nachweise. - Die Haltung von
Wiik und Sirola in Stockholm wird bei Kirby 1974, S. 80, als "uncompromisingly
hostile to Russia and negative in its attitude to the revolution" bezeichnet,
was sich die finnische Sozialdemokratie allerdings zu Hause nicht leisten
konnte. Putensen 1995, S. 492, nennt die Haltung "widersprüchlich, ja
letztlich ablehnend". Kirby 1986, S. 165, weist unter Bezug auf einen Artikel
von Sirola darauf hin, daß Huysmans und Branting die Finnen wegen ihrer
"indifference" der russischen Revolution gegenüber kritisiert
hätten.

10   In den oben in Anm. 1 nachgewiesenen Notizen von Huysmans
werden Brantings Alternativen folgendermaßen zusammengefaßt: "a)
République Finlandaise G[ouvernemen]t indépendant. Propre
ministre des aff[aires] étr[angères] b) Républ[ique]
Finlandaise ministre russe politique commerciale indépendante". - In
einem Gespräch mit Sirola hatte sich Branting auch nach der
Möglichkeit eines Bundes mit Schweden erkundigt, nachgewiesen oben Anm. 8.
- Siehe auch die Alternativen von Sirola, in Dok. Nr. P/18c.

11   Innerhalb der schwedisch-norwegischen Union, die dann nach
jahrelangen Konflikten 1905 aufgelöst wurde.

12   Zur Bedeutung des Konzepts "internationale Rechtsordnung"
für Branting siehe Norman 1985 und Norman 1990.

13   Nach den oben in Anm. 1 nachgewiesenen Notizen von Huysmans
wies Branting auf die Beispiele Schweden und Polen hin.

14   In den oben in Anm. 1 nachgewiesenen Notizen von Huysmans
wird Troelstras Stellungnahme folgendermaßen zusammengefaßt:
"Tr [Troelstra] Voudrais considérer la possibilité
d'un désarmement p[ou]r petites nations tout au moins."

15   Branting nach den oben in Anm. 1 nachgewiesenen Notizen von
Huysmans: "La Belgique avait 80 000 h[ommes]. Elle a changé l'aspect de
la guerre. La Belgique a suivie la France". Danach erkärte Huysmans: "La
Belgique souhaite que/subsiste par armée défensive".

16   Gemeint ist die schwedische Parteiopposition, die u.a. in
Zimmerwald 1915 vertreten war und die sich am 13.-16.5. 1917
Sozialdemokratische Linkspartei Schwedens (Sveriges socialdemokratiska
vänsterparti) formiert hatte.

17   Im Text keine Angaben zum Export, aber in den oben in Anm. 1
nachgewiesenen Notizen von Huysmans: für Rußland 113 Millionen,
Deutschland 52 und England 108. In den ebd. nachgewiesenen Notizen von
Troelstra: "Finland heeft meer ekon. verbinding met Dl dan met
Rusland - veel boten naar Engeland - papeer naar
Rusl. [Kursivierungen entsprechen Unterstreichung][ Finnland hat mehr
wirtschaftliche Beziehungen zu Deutschland als zu Rußland -
viele Schiffe nach England - Papier nach
Rußland].

18   Vielleicht bezieht sich der abschließende Satz in den
oben in Anm. 1 nachgewiesenen Notizen von Troelstra auf diese Stellungnahmen:
"Subsidiair innere Finsche aangelegenheden door Finl. geregeld"
[Beziehungsweise innere finnische Angelegenheiten durch Finnland zu regeln]. -
Vgl. das finnische Memorandum, nachgewiesen oben in Anm. 3: "Finnlands Volk
fordert nicht die augenblickliche Durchführung seiner vollen
Selbständigkeit".

19   In den oben in Anm. 1 nachgewiesenen Notizen von Huysmans
steht "Accord sur I a)", d.h. diesen Punkt im Fragebogen (I.
Friedensbedingungen, a) Allgemeine Grundlagen des Friedens:
Selbstbestimmungsrecht der Nationen, Autonomie der Nationalitäten,
Annexionen, Kriegsentschädigungen, Wiederherstellung). - Siehe auch Wiiks
Kommentar oben in Anm. 6. - Zum Fragebogen Dok. Nr. P/15b.

20   Nach den oben in Anm. 1 nachgewiesenen Notizen von Huysmans
antwortete Wiik zu diesem Problem: "on ne peut exclure immigrés". Siehe
auch Wiiks Kommentar oben in Anm. 6.

21   Bezieht sich auf Fragebogen Punkt IVb (Direktes Mitarbeiten
der Parlamente).

22   So Fragebogen Punkt IVc.

23   Nach der Zusammenfassung in den oben in Anm. 1 nachgewiesenen
Notizen von Huysmans erklärten Wiik und Sirola insgesamt zum Punkt IV:
"Accord sur participation neutres à conférence IV a) b)
Travailler pour obtenir délégués à
conférence de paix par Angleterre et Finlande. Conférence paix -
Int[ernationale] aller là où elle se réunit".

24   Fragebogen Punkt II (Hauptgrundzüge internationaler
Vereinbarungen).

25   In seinem Bericht, der nach Hentilä 1982, S. 16, von
Enttäuschung geprägt war, formulierte Wiik zwei Vorbedingungen
für eine finnische Teilnahme: Die finnische Frage müsse auf der
Konferenz als gesondertes Problem behandelt werden, und die Beschlüsse
dürften nicht bindend sein.

26   In den oben in Anm. 1 nachgewiesenen Notizen von Huysmans:
"exclusion des minorités des pays neutres Wiik regrette cette exclusion
Sirola pas honnête qu'exclusion". - Auf dem Parteitag der
finnischen Sozialdemokratie am 15.-18.6.1917 wurden u.a. die internationalen
Verbindungen diskutiert, ausgehend von einem Bericht von Wiik und Sirola. Die
kontroverse Diskussion galt der Frage eines Anschlusses an die Zimmerwalder
Bewegung. Zu einem förmlichen Anschluß kam es nicht, nur zu einer
entsprechenden Empfehlung. Ein Dreier-Ausschuß, dem Wiik, Sirola und
Edvard Valpas angehörten, sollte die Frage bis zum nächsten Parteitag
untersuchen. Dazu Upton 1980, S. 53f. In ISK-Nachrichtendienst Nr. 19,
16.8.1917, S. 6, nicht ganz korrekt: die Zimmerwalder Prinzipien wurden
"vollständig anerkannt und ihr Beitritt an die I.S.K. beschlossen". Nach
Hentilä 1982, S. 16, war dieses offensichtliche Votum für Zimmerwald
u.a. auf die negativen Reaktionen in Stockholm den finnischen Forderungen
gegenüber zurückzuführen. Nach Kirby 1974, S. 78f., habe man
dadurch mehr "Sympathie" bei den Zimmerwaldern gewinnen wollen, was allerdings
nicht der Fall gewesen sei. Eine Teilnahme an der Stockholmer Konferenz
erschien dennoch als wichtig, siehe Wiiks Tagebuch (Abschrift), S. 50,
Eintragung 29.8.1917, in ARAB, Kopiesamling, Box 15. - Nach einem Bericht von
Sirola im Parteivorstand am 25.10.1917 habe Branting, der ihm zunächst
zwar ausgewichen, aber freundlich gewesen sei, ihn nach jenem Beschluß
weniger freundlich behandelt, ja regelrecht "boykottiert", ebd. S. 62. - Sirola
nahm an der dritten Zimmerwalder Konferenz in Stockholm teil.

27   Siehe Van Ravesteyn 1948, S. 162f., 165-170.

28   Siehe z.B. den Leitartikel "Socialpatrioternas
fredskonferens" [Die Friedenskonferenz der Sozialpatrioten] im Organ der
schwedischen Parteiopposition, Politiken 23.4.1917, S. 2, und dort am
21.5.1917, S. 1, den Kommentar zum Manifest des
Holländisch-skandinavischen Komitees (18.5.) von C.N. Carleson, "En
snöpt International" [Eine kastrierte Internationale]. Der
Gründungsparteitag der Sozialdemokratischen Linkspartei Schwedens
begrüßte am 16.5.1917 die Initiative des Arbeiter- und Soldatenrats
zu einer auf dem Boden Zimmerwalds stehenden internationalen Konferenz. Dem in
Stockholm tätigen Organisationskomitee für die dritte Zimmerwalder
Konferenz gehörten Vertreter der Linkspartei an. Siehe dazu Björlin
1988, S. 24; Schmidt 1996, S. 158-164 Schmidt spricht von Stockholm als
"Zentrum der Zimmerwalder Bewegung" ("Zimmerwald-rörelsens centrum", S.
161).