Gespräch des Holländisch-skandinavischen Komitees mit Albert Thomas, 18. Juni 1917

P/37
Aus: Journal de Russie d'Albert Thomas, S. 187-188.1

Lundi 18 Juin 1917 - 2e Journée de Stockholm2

[...]

   Le déjeuner a lieu avec le Comité
Hollando-Scandinave
de l'Internationale. Comme le dit
spirituellement Branting, puisque j'ai refusé d'aller à la
montagne, la montagne est venue à moi.

   Il m'était en effet impossible, étant
donné l'état de l'opinion française et l'attitude du
Gouvernement, d'être reçu officiellement par le Comité.

   La discussion est chaude,3 surtout avec Troelstra,
qui attaque dès le début et se trouve rabroué assez vite
sur la question du droit des peuples à disposer d'eux-mêmes, sur
la question d'Alsace-Lorraine.

   La conversation me prouve une fois de plus que nous pouvons
avoir plaine certitude de l'excellence de notre cause. Les arguments sur le
droit sont irrésistibles pour des démocrates et des
socialistes.

   Stauning est fort embarrassé.4 Vankol reprend
courage, fait des manifestations ostensibles en faveur des alliés.

   Mais cela me confirme une fois de plus la
nécessité de faire propagande sur ce terrain. Nos questions sont
ignorées. On ne sent pas à quel point elles sont symboliques.
Certains seraient tentés de dire, comme la Citoyenne Nina Bang, qu'il
est honteux de notre part de continuer le massacre à cause de cet unique
lambeau de terre qu'est l'Alsace-Lorraine.5

   Deux point encore à noter à ce sujet:

   1o) Troelstra est tout à fait surpris lorsque
je lui montre que l'idée de plébiscite constitue une
véritable concession de notre parti. Il insiste pour que, dans la
déclaration, nous marquions à quel point cela constitue une
concession. Je lui ai montré en effet que toute l'opinion
française ne se posait même pas la question du plébiscite,
tellement elle était persuadée de l'excellence de notre cause en
Alsace-Lorraine et de la réalité de la
protestation.6

   2o) L'attitude des socialistes allemands est
intenable. Je commente leur memorandum.7 Je montre leur recul sur la
pensée socialiste ancienne. Or Stauning semble être venu surtout
pour tenter de trouver un terrain de conciliation. Son idée à
lui, c'est l'arbitrage international. Je ne fais pas de résistance
à l'idée de l'arbitrage international, en montrant que je
l'accepte non seulement comme français, mais comme socialiste et comme
européen.8

   Je veux dire que c'est là une concession que nous
pouvons faire si nous avons des garanties suffisantes, car mon but constant,
c'est de faire dire aux socialistes allemands que la question d'Alsace-Lorraine
sera rouverte. Tant qu'ils ne l'auront pas dit, il n'y aura pas de langage
commun entre les démocrates.

   Le Comité hollando-scandinave m'a paru un peu
étriqué et mesquin dans ses préoccupations. Il y a chez
tous, évidemment, le souci de reconstituer, coûte que coûte,
l'Internationale. Il y a chez eux le souci administratif et bureaucratique, je
dirai plus encore, sauf chez Branting, peut-être chez Troelstra, que le
souci de jouer un grand rôle dans les négociations de paix. Il se
félicitent de l'affaire arrivée à Grimm,9 mais
surtout avec le sentiment du boutiquier d'en face. J'explique, en
réponse au toast intime que Branting porte à la fin, qu'il n'y
aura d'internationalisme que sur des principes communs.

Anmerkungen

1   Journal de Russie d'Albert Thomas, document inédit
présenté par I. Sinanoglou, in: Cahiers du monde russe et
soviétique, 14, 1973, S. 86-204. Daraus zitiert auch bei Stillig 
1977, S. 216-219, der allerdings Thomas' Urteile recht kritiklos
übernimmt. - Siehe auch Berichte von Thiébaut am 18.6.1917 und von
Thomas am 19.6., genannt mit ganz kurzen Zitaten bei Jemnitz 1980, S. 25f. (in
Paris, Archiv AA, Guerre 1914-18, Vol. 1205). Nina Bang und Stauning
berichteten Scheidemann von dem Gespräch, überliefert bei Scheidemann
1921, S. 147-148, und Scheidemann 1928/2, S. 20f.; siehe unten Anm. 4-6.
Berichte auch in PA AA, WK Nr. 2 c, Bd. 3, S. 112-114 (Bericht Merkeler), 120f.
(Bericht Baake).

2   Kursiv und gesperrt in der Vorlage. - Am Tag zuvor, dem Tag
der Ankunft in Stockholm, traf Albert Thomas Huysmans und abends ihn und
Branting bei einem Essen in der französischen Gesandtschaft. Bei dieser
Gelegenheit vermittelte er u.a. seine Eindrücke über Rußland
und kommentierte das Memorandum der MSPD. Er erklärte auch, daß es
unmöglich sei, offiziell vor dem Holländisch-skandinavischen Komitee
zu erscheinen. Dies nach dem oben in Anm. 1 nachgewiesenen Journal. - Nach
seinem Interview in schwed. Social-Demokraten 18.6.1917, S. 6, werde er
während seines kurzen Besuchs nichts unternehmen, was im Widerspruch zur
Haltung der französischen Regierung und des Parlaments zur internationalen
sozialistischen Konferenz stehe, aber "selbstverständlich"
("självklart") Gespräche "mit Parteifreunden in einem neutralen Land"
("med partivänner i ett neutralt land") nicht ablehnen.- Thomas traf nach
dem Gespräch auch Victor Adler, siehe Journal Thomas 1973, S. 188f. - Bei
seiner Abreise aus Stockholm am 18.6.1917 wurde Thomas von Branting, Huysmans,
Van Kol und Vidnes zum Bahnhof begleitet.

3   Nach Thomas sei die Diskussion mit Troelstra erregt gewesen,
dagegen positiver mit den anderen Holländern, Vidnes und vor allem mit
Branting. - Nach Nina Bang und Stauning sei "durchaus kameradschaftlich"
diskutiert worden, so Scheidemann in seinem Bericht über "Stockholm" in
MSPD-Parteiausschuß am 26.6. 1917, Protokoll S. 12. In einem Interview in
dän. Social-Demokraten 20.6.1917, S. 1, erklärte Stauning,
daß ihn das Gespräch "sehr gefreut" ("glædede mig meget") habe
und er "sehr zufrieden" ("meget tilfreds") nach Kopenhagen zurückgefahren
sei. Er sagte ansonstens nichts über den Inhalt, sicher wegen der
kritisierten Indiskretion nach dem Gespräch im April, siehe Dok. Nr. P/2.
Deshalb wollte Thomas auch Stauning zunächst nicht treffen, siehe unten
Anm. 4.

4   Zu Staunings Haltung der Einstellung von Albert Thomas
gegenüber siehe Dok. Nr. P/31a-d. - Stauning war zu diesem Gespräch
telegrafisch nach Stockholm geholt worden. Zunächst hatte Nina Bang am
16.6.1917 mitgeteilt, daß Stauning nicht zu kommen brauche, weil Thomas
nicht mit dem Holländisch-skandinavischen Komitee konferiere. Stauning
antwortete am gleichen Tag, es solle ein Gespräch "recht privat" ("ganske
privat") mit Thomas vermittelt werden. Daraufhin teilte Nina Bang am 17.6. mit,
Thomas sei "unversöhnlich" ("uforsonlig"). Sämtliche Telegramme in
ABA, SDF, 528. Nach dem Bericht von Nina Bang bei Scheidemann 1921, S. 147,
habe sich dann Thomas doch "bereit erklärt, mit Stauning zu reden,
wenngleich seine letzte Begegnung mit ihm in Frankreich großen Lärm
verursacht habe." Er wolle ihn beim Frühstück zusammen mit Branting
und Huysmans treffen.

5   Nach dem Bericht von Nina Bang bei Scheidemann 1921, S. 147f.,
sei Albert Thomas besonders über die Passagen zu Elsaß-Lothringen im
Memorandum der MSPD "wütend" gewesen. "Er habe sich ausgedrückt, wie
ein Mann, der weder vom Sozialismus, noch von der Politik etwas wisse: eben wie
ein Mensch, der n u r Munitionsminister sei". Auf die Frage von Nina
Bang, "ob der Krieg wegen Elsaß-Lothringen, das doch nicht erobert sei,
endlos weitergeführt werden soll, habe er geantwortet: Der Krieg geht
weiter, wir können nicht anders". In einem Gespräch mit Nina Bang und
Stauning nach dem Frühstück habe er gesagt, "Elsaß-Lothringen
gehöre zu Frankreich; unsere [d.h. die der MSPD, MG] Berufung auf den
statistischen Nachweis, daß 90% der Einwohner Deutsch
r e d e n, beweise nicht, daß die Einwohner auch
deutsch denken und fühlen. In Frankreich wisse man, daß die
Elsaß-Lothringer wieder zu Frankreich wollten und dergleichen mehr. Nach
langem Hin und Her habe er aber doch von einer 'Arbitrage obligatoire
après la guerre' gesprochen. Stauning und Frau Bang haben den Eindruck
gewonnen, daß die Franzosen nach einer Brücke suchen, um über
Elsaß-Lothringen, auf das sie sich festgebissen haben, hinwegzukommen". -
Nach den oben in Anm. 1 nachgewiesenen Berichten an das AA habe Stauning den
Vorschlag eines Schiedsgerichts einige Jahre nach dem Krieg abgelehnt, genannt
bei Stillig 1977, S. 218, Anm. 238. Nach Scheidemann 1921, S. 148, habe Nina
Bang "sich in den Gedanken verliebt, daß w i r [d.h. die MSPD,
MG] einen solchen Vorschlag machen möchten. Dem widersprach ich". Es sei
"Unsinn", diese Frage nach dem Krieg "wieder aufzurollen".

6   Nach Stillig 1977, S. 218, sei das Zugeständnis von
Albert Thomas "Donquichotterie" und nur rein taktisch bedingt gewesen. Nach
Grossheim 1978, S. 166, habe Thomas die Stockholmer Konferenz ausgenutzt, um
den Burgfrieden aufzulösen, und sogar mit dem
Holländisch-skandinavischen Komitee "gegen die Partei intrigiert".

7   Kritik von Albert Thomas in Form eines Interviewstatements in
schwed. Social-Demokraten 19.6.1917, S. 1 und 8; auf franz. in CHA, Stockholm,
N. & C., Juni 1917:3. Siehe auch Grossheim 1978, S. 257, Anm. 21 und 26,
sowie S. 166f. Social-Demokraten empfahl dieses interessante monologische
Interview ("fått form av en monolog" [in Form eines Monologs]) zusammen
mit dem Memorandum der MSPD, das ohne Kommentar veröffentlich worden war,
zu lesen. Thomas hob u.a. hervor, daß eine Versöhnung nur durch die
Zustimmung zu allgemeingültigen Prinzipien des Rechts möglich sei.
Die Frage Elsaß-Lothringen sei solch eine Frage des Rechts, des Rechts
auf Selbstbestimmung. Es sei kein deutsch-französisches Problem, sondern
eine Frage, die allen Ländern und dem Weltgewissen vorgelegt werden
müsse. Der französische Sozialismus orientiere sich grundlegend an
dieser Rechtsfrage, auch im Falle Elsaß-Lothringens. Das Memorandum der
MSPD zeige in diesem Punkt, wie auch in anderen nationalen Fragen, daß
man von den alten Argumenten des preussischen Militarismus und deutschen
Imperialismus gefangen sei, möglicherweise unbewußt. Deshalb habe
Thomas die Stellungnahme der MSPD "mit einem Gefühl der Verwunderung"
[kann auch Bestürzung heißen] ("med en känsla av häpnad")
gelesen. Das Zugeständnis von Grenzberichtigungen eliminiere nicht die
Forderungen des Rechts. Seine eigene im Gespräch vorgetragene "Konzession"
nannte Thomas nicht. - Eine Antwort von Eduard David erschien in schwed.
Social-Demokraten 22.6.1917, S. 3, auch wiedergegeben in Vorwärts
23.6.1917, S. 1. Nach Social-Demokraten fühle man sich verpflichtet, diese
Stellungnahme abzudrucken, und zwar ohne Kommentar. Eine Ausnahme machte man
allerdings. Die Behauptung, daß die deutsche Arbeiterklasse einen
größeren Einfluß auf die Regierung ausübe als die
Sozialdemokratie in anderen Ländern, lese man "mit überaus
ungeheucheltem Erstaunen" ("med den mest oförställda häpnad"),
wenn man das nicht als "einen schlechten Witz" ("ett dåligt skämt")
gleich abtue. Im Hinblick auf Elsaß-Lothringen wies David vor allem auf
eine gemeinsame deutsch-französische Grundeinstellung vor dem Krieg hin,
die Thomas und die französischen Sozialdemokraten jetzt aufgegeben
hätten. Siehe auch die Kritik von Wilhelm Jansson in Die Glocke 7.7.1917,
S. 521-526 ("Probleme des Rechts"). - Kritik am Memorandum der MSPD übte
auch Jean Longuet von der französischen Minderheit in einem Artikel in
Populaire du Centre am 21.6.1917, wiedergegeben in Internationale Korrespondenz
(IK), Nr. 27, 11.7.1917, S. 203f. Die Minderheit trat dafür ein, im
Interesse des Friedens statt der einfachen Rückforderung
Elsaß-Lothringens eine Volksabstimmung über den Anschluß an
Frankreich vorzusehen. Auch sie bestand auf dem prinzipiellen Recht zur
"Rückkehr" von Elsaß-Lothringen, unterstützte auch die
französische Antwort auf den Fragebogen. Deshalb kritisierte Longuet vor
allem die "die Weigerung der Rückgabe"von Seiten der MSPD. Dagegen
hätten sich die ungarischen Sozialisten durch einen abweichenden
Standpunkt "mutig" gezeigt, wie allgemein auch die USPD.

8   Siehe oben Anm. 5.

9   Robert Grimm, Vorsitzender der ISK, hatte sich über den
schweizerischen Außenminister Hermann Hoffmann in Sachen eines deutschen
Sonderfriedens mit Rußland interveniert, wurde deswegen scharf kritisiert
und mußte vom ISK-Vorsitz zurücktreten. Er mußte am 13.6.1917
Rußland verlassen. Albert Thomas sorgte dafür, Grimms Stellungnahme
zugunsten eines Sonderfriedens Publizität zu verschaffen, u.a. durch die
schwedische Presse, darunter Social-Demokraten; siehe Journal S. 181. Zeth
Höglund, C.N. Carleson und Ture Nerman von der Sozialdemokratischen
Linkspartei Schwedens bildeten am 20.6.1917 eine provisorische ISK-Exekutive.
Sie holten Angelika Balabanova aus Rußland nach Stockholm - sie kam
zusammen mit der russischen Delegation am 3.7. an - und betrieben dort
gemeinsam die Vorbereitungen einer 3. Zimmerwalder Konferenz. - Zur
"Affäre Grimm" Lademacher 1967/1, S. 575ff.; Voigt 1980, S. 182-193;
Nation 1989, S.181f.