Die Stockholmer Friedenskonferenz von 1917 - Hintergrund

Durch den Ausbruch des Weltkriegs ist die internationale Sozialdemokratie in 1914 auseinandergefallen. In allen Ländern, kriegführend oder nicht, zeichnen sich drei Strömungen ab. Zur rechten Seite die Mehrheitssozialisten die, je nach ihrer nationalen Identität, gegen oder gerade für einen separaten Frieden mit Russland sind. Zur linken Seite haben sich die Internationalisten, Revolutionäre und Pazifisten in der Internationalen Sozialistischen Kommission (ISK) vereinigt. In der Regel wird diese Gruppierung die Zimmerwalder genannt, nach ihrer ersten Konferenz in 1915 im schweizerischen Zimmerwald. Vorsichtig versucht eine Gruppe aus der politischen Mitte die Verhältnisse zwischen den Sozialisten und den kriegführenden Ländern wiederherzustellen. Diese sind im vom Belgier Camille Huysmans geleiteten Internationalen Sozialistischen Bureau (ISB) vertreten.

Das ISB entschließt sich am 15. April 1917 das neutrale Stockholm als Sitz zu wählen. Die Zimmerwalder tun dasselbe. Vom ISB aus beginnt ein 'Holländisch-skandinavisches Komitee' sich für eine Friedenkonferenz einzusetzen. Ein dritter Gesprächspartner ist der Petrograder Arbeiterrat, in dem Menschewiken, Bolschewiken und Sozialistenrevolutionäre kurz nach der Februarrevolution von 1917 (noch) vereint sind.

Schon im Mai wird deutlich, dass die Briten, Belgier, Franzosen und Russen der Konferenz ein nein entgegenbringen werden. Eine scheinbar unendliche Reihe von Zweiparteienverhandlungen, Vorbesprechungen, Dreiparteiengesprächen und einander durchkreuzende Initiativen folgt. Die Zimmerwalder veranstalten eine Konferenz in Stockholm um einen Entschluss über die Teilnahme an der Stockholmer Konferenz zu fassen, und die Russen präsentieren eine eigene Friedensinitiative. Wenn die Konferenz nach vier Monaten schließlich doch wieder eingerüstet ist, weigern die Regierungen der Alliierten sich, wie der britische Labourpremier Lloyd George, an den Abgeordneten die nach Stockholm reisen möchten Pässe auszugeben. Ab August 1917 ist es klar, dass es die Konferenz nie geben wird.

Hinter allen 'kleinen' Diskussionen rund dieser gescheiterten Konferenz spielt die große Geschichte eine Rolle. Wenn die Chancen sich auf militärischem Gebiet zu ändern schienen, wurden auch mit Bezug auf Stockholm die Fahnen wieder gewechselt. So hatte die anfangs reservierte, später einstimmende und schließlich unkooperative Haltung der britischen Labourregierung mit der Einschätzung der Chancen auf einen separaten russisch-deutschen Frieden zu tun. Und so sah Lenin nach einiger Zeit immer großartigere Perspektiven für die Bolschewiken, wodurch er weniger Energie in einen möglichen Erfolg der Zweiten Internationale stecken wollte. Damalige Brandherde, wie die vielen Autonomiefragen der ethnischen Minderheiten, die Position der Türkei in Europa oder die westliche Einmischung in den Iran, gleichen in vielerlei Hinsicht den jetzigen. Die Tricks und Schattenkämpfe der Unterhändler des sozialistischen Lagers wirken ebenso vertraut. Einige kamen nach dem Krieg an die Macht. Deshalb bleiben ihre Motive und ihr Verhalten, dem Fiasko dieses Friedensprojekts zum Trotz, erforschenswert.